Zwei an Einem Tag
mit dem Erbsenhirn. Er schüttelt Tobys Hände ab. Aus solchen Feindschaften entstehen angeblich Sternstunden der TV-Geschichte, aber Dexter fühlt sich schikaniert. Er braucht noch einen Wodka, um seine gute Laune wiederzugewinnen, was allerdings nicht geht, solange Toby ihn im Spiegel mit seinem eulenhaften Gesicht blöd angrinst. »Wenns dir nichts ausmacht, möchte ich mich jetzt gerne noch etwas sammeln.«
»Verstehe ich absolut. Kratz deinen Grips zusammen.«
»Bis später vor der Kamera, ja?«
»Bis später, Hübscher. Viel Glück.« Er zieht die Tür hinter sich zu und öffnet sie gleich nochmals. »Nein, wirklich. Ganz im Ernst. Viel Glück.«
Nachdem Dexter sich vergewissert hat, dass er allein ist, schenkt er sich den Wodka ein und begutachtet sich im Spiegel. Mit dem knallroten T-Shirt, dem schwarzen Smokingjackett, der ausgeblichenen Jeans, den spitzen schwarzen Schuhen und dem raspelkurzen Haar sieht er aus wie der Inbegriff des jugendlichen Großstädters, fühlt sich aber plötzlich alt, müde und unsagbar traurig. Er presst sich zwei Finger auf die Augen und fragt sich, wo diese lähmende Traurigkeit herkommt, kann aber keinen klaren Gedanken fassen. Sein Kopf fühlt sich an wie einmal kräftig durchgeschüttelt. Wörter werden zu Brei, und er sieht keinen vernünftigen Weg, das Ganze durchzustehen. Brich jetzt nicht zusammen, sagt er sich, nicht hier, nicht jetzt. Halt durch.
Aber in einer Live-Sendung ist eine Stunde eine unvorstellbar lange Zeit, ein Hilfsmittel ist nötig. Auf dem Schminktisch steht eine kleine Wasserflasche, er leert den Inhalt ins Waschbecken, wirft einen Blick zur Tür, nimmt die Wodkaflasche aus der Schublade und gießt drei, nein, vier Fingerbreit der öligen Flüssigkeit hinein und schraubt den Deckel wieder zu. Er hält sie gegen das Licht. Niemand wird den Unterschied bemerken – und natürlich wird er sie nicht austrinken, aber sie ist da, in seiner Hand, und wird ihm helfen, durchzuhalten. Dank dieser List fühlt er sich wieder aufgekratzt und selbstbewusst, bereit, dem Publikum, Emma und seinem Vater vor dem Fernsehschirm zu zeigen, was er draufhat. Er ist nicht nur irgendein Moderator. Er ist ein Entertainer.
Die Tür geht auf. »HEY, HEY!«, sagt Suki Meadows, seine Co-Moderatorin. Suki ist der Schwarm der Fernsehnation, eine Frau, für die Flippigkeit eine Lebensphilosophie, fast schon eine Manie ist. Suki würde wahrscheinlich sogar einen Beileidsbrief mit den Worten »Hey, hey!« anfangen, und Dexter fände diese erbarmungslose Überdrehtheit wohl leicht anstrengend, wenn Suki nicht so attraktiv, beliebt und verrückt nach ihm wäre.
»WIE GEHTS DIR, SÜSSER? GEHT DIR DER ARSCH AUF GRUNDEIS?« – das ist ihr zweites Moderationstalent: Gespräche so zu führen, als spreche sie mit einer Menge feierwütiger Urlauber an der Küste in Weston-super-Mare.
»Ich bin etwas nervös, ja.«
»OOOOH! KOMM HER, DU!« Sie klemmt sich seinen Kopf unter den Arm wie einen Fußball. Suki Meadows ist hübsch, was man früher zart genannt hätte, und ihr aufgedrehtes Temperament sprudelt und sprüht, als ob man gerade einen Ventilator in die Badewanne geworfen hätte. In letzter Zeit hat sich ein kleiner Flirt zwischen ihnen entwickelt, wenn man bei der Art, wie Suki ihn an ihre Brüste presst, noch von Flirt sprechen kann. Wie bei dem Schulsprecher und der Schulsprecherin gibt es auch hier einen gewissen Erwartungsdruck, dass die beiden Stars zusammenkommen, was aus beruflicher, wenn auch nicht aus privater Sicht durchaus Sinn macht. Sie drückt seinen Kopf – »DU BIST BESTIMMT GROSSARTIG« –, packt seine Ohren und zieht ihn zu sich heran. »HÖR MIR ZU. DU BIST DER HAMMER, UND DAS WEISST DU AUCH, WIR SIND EIN GROSSARTIGES TEAM, DU UND ICH. MEINE MUM IST HEUTE ABEND DA, SIE WILL DICH NACHHER TREFFEN. UNTER UNS PASTORENTÖCHTERN, ICH GLAUBE, SIE STEHT AUF DICH. ICH STEHE AUF DICH, ALSO STEHT SIE AUCH AUF DICH. SIE WILL EIN AUTOGRAMM VON DIR, ABER VERSPRICH MIR, NICHT MIT IHR DURCHZUBRENNEN!«
»Ich geb mir Mühe, Suki.«
»IST DEINE FAMILIE DA?«
»Nein …«
»FREUNDE?«
»Nein …«
»WAS HÄLTST DU VON DEM OUTFIT?« Sie trägt ein knappes Top, einen ultrakurzen Mini und hat die obligatorische Wasserflasche bei sich. »SIEHT MAN MEINE NIPPEL?«
Flirtet sie mit ihm? »Nur, wenn man ganz genau hinguckt«, flirtet er mechanisch zurück, lächelt schwach, und Suki merkt etwas. Sie nimmt seine Hände und brüllt vertraulich: »WAS IST LOS, SÜSSER?«
Er zuckt die
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