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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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der Brust, sie muss immerzu grinsen, und während die Band Consider Yourself verhunzt, hält sie mit Vierzehnjährigen Händchen und verbeugt sich wieder und wieder. Sie verspürt das Hochgefühl, etwas gut gemacht zu haben, und zum ersten Mal seit zehn Wochen hat sie nicht mehr das Bedürfnis, den Komponisten des Musicals zu verprügeln.
    Beim anschließenden Umtrunk fließt die Cola Marke Eigenbrau in Strömen, außerdem gibt es fünf Flaschen Cider für die Erwachsenen. Ian sitzt mit einem Teller Mini-Cordon bleus und einem Plastikbecher mit löslichem Grippemittel, das er eigens mit zur Party mitgebracht hat, in einer Ecke der Turnhalle, massiert sich die Schläfen und wartet geduldig lächelnd, während Emma mit Lob überschüttet wird. »Gut genug für das West End!«, behauptet jemand leicht übertrieben, und es macht ihr nicht einmal etwas aus, als Rodney Chance, der den Fagin gespielt hat, leicht angeheitert von Limo mit Schuss verkündet, dass sie »für eine Lehrerin ziemlich scharf« ist. Mr Godalming (»Bitte, nennen Sie mich Phil«) gratuliert ihr, während Fiona, rotwangig wie eine Bäuerin, gelangweilt und schlecht gelaunt zusieht. »Wir sollten uns im September mal über Ihre Zukunft hier unterhalten«, sagt Phil, beugt sich vor und küsst sie zum Abschied, so dass sich ein paar Schüler und Kollegen ein anzügliches »Uuuuiii« nicht verkneifen können.
    Anders als die meisten Showbusiness-Partys endet diese um viertel vor zehn, und statt einer Stretch-Limousine nehmen Emma und Ian Bus Nummer 55 und 19 sowie die Piccadilly-Linie nach Hause. »Ich bin so stolz auf dich …«, sagt Ian, den Kopf an ihren geschmiegt, »… aber ich glaube, jetzt hats meine Lunge erwischt.«
    Als sie die Wohnung betritt, riecht sie Blumen. Ein riesiger Strauß roter Rosen liegt in einer Kasserolle auf dem Küchentisch.
    »Oh, mein Gott, Ian, sind die schön.«
    »Sind nicht von mir«, murmelt er.
    »Oh. Von wem dann?«
    »Vom Goldjungen, schätze ich. Sind heute Morgen gekommen. Völlig übertrieben, wenn du mich fragst. Ich geh mal ein heißes Bad nehmen. Vielleicht hilft es ja.«
    Sie zieht den Mantel aus und klappt die kleine Karte auf. »Sorry wegen der Schmollerei. Hoffe, heute Abend geht alles gut. Alles Liebe, Dx.« Das ist alles. Sie liest es zweimal, schaut auf die Uhr und schaltet schnell den Fernseher ein, um Dexters großen Durchbruch mitzuerleben.
    Als 45 Minuten später der Abspann läuft, grübelt Emma mit gerunzelter Stirn darüber nach, was sie gerade gesehen hat. Sie hat wenig Ahnung vom Fernsehen, ist sich aber ziemlich sicher, dass Dexter nicht geglänzt hat. Er sah unsicher, manchmal direkt ängstlich aus. Er hat sich versprochen, in die falsche Kamera geschaut, amateurhaft und zerfahren gewirkt, und die Interviewpartner – der Rapper auf Tour, die vier großspurigen Musiker aus Manchester – haben mit Geringschätzung oder Sarkasmus auf ihn reagiert, als hätten sie sein Unbehagen gespürt. Auch das Studiopublikum sieht verächtlich drein, wie mürrische Teenager bei einem Krippenspiel, die Arme vor der Brust verschränkt. Zum ersten Mal, seit sie ihn kennt, wirkt er bemüht. Ist er am Ende betrunken? Sie kennt sich zwar in der Medienlandschaft nicht aus, aber eine Bruchlandung erkennt sie auf den ersten Blick. Bei der letzten Live-Band hat sie sich unwillkürlich die Augen zugehalten, hat aber genug Ahnung vom Fernsehen, um zu wissen, dass das nicht ideal ist. Vieles mag heutzutage ironisch gemeint sein, aber Buhrufe sind mit Sicherheit kein gutes Zeichen.
    Emma macht den Fernseher aus. Aus dem Badezimmer hört sie, wie Ian sich geräuschvoll in ein Handtuch schnäuzt. Sie macht die Tür zu, nimmt den Telefonhörer, setzt ein Herzlichen-Glückwunsch-Lächeln auf, und in einer leeren Wohnung in Belsize Park schaltet sich der Anrufbeantworter ein. »Na los – sprich mit mir!«, sagt Dexter, und Emma spielt ihre Rolle. »Hey, du! Hi! Ich weiß, du bist auf der Party, ich wollte dir nur sagen, na ja, erst mal vielen Dank für die Blumen. Sie sind wunderschön, Dex, das wäre echt nicht nötig gewesen. Aber vor allem – Ganz! Herzlichen! Glückwunsch! Du warst fantastisch, wirklich total relaxt und witzig, ich fands ganz fantastisch, eine wirklich, wirklich ganz tolle Show, wirklich.« Sie zögert; sag nicht ständig »wirklich«. Wenn man zu oft »wirklich« sagt, klingt es wie »nicht wirklich«. Sie spricht weiter. »Die Sache mit dem T-Shirt unter der Smokingjacke war vielleicht nicht so der

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