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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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verschwenden. Sie hatte versucht, in einer Band mitzuspielen, Stücke und Kinderbücher zu schreiben, zu schauspielern und einen Job im Verlagswesen zu finden. Vielleicht war die Krimireihe nur ein weiteres zum Scheitern verurteiltes Projekt, genau wie der Trapezkurs, Buddhismus und Spanisch. Sie benutzte die Wortzählfunktion. 36 Wörter, einschließlich der Titelseite und dem grottigen Pseudonym. Emma stöhnte auf, stellte mithilfe des hydraulischen Hebels ihren Schreibtischstuhl niedriger und sank tiefer Richtung Teppich.
    Jemand klopfte an die Sperrholztür. »Und, wie läufts im Anne-Frank-Verschlag?«
    Schon wieder dieser Spruch. Für Ian war ein Witz kein Wegwerfgegenstand, sondern etwas, das man wieder und wieder benutzte, bis es verbogen und zerfleddert war wie ein billiger Regenschirm. Als sie zusammengekommen waren, fielen ungefähr 90 Prozent dessen, was er sagte, unter die Kategorie »Humor«. Entweder war es ein Wortspiel, oder eine Stimmenimitation oder enthielt sonst eine komische Absicht. Im Laufe der Zeit hatte sie gehofft, ihn auf annehmbare 40 Prozent herunterzubekommen, aber nach fast zwei Jahren lag die Quote immer noch bei 75, und ihr gesamtes häusliches Leben spielte sich vor dem Hintergrund dieses Tinnitus der Heiterkeit ab. Konnte man fast zwei Jahre lang »gut drauf« sein? Sie war seine schwarze Bettwäsche und die Bierdeckel losgeworden, hatte heimlich ein paar seiner Unterhosen aussortiert, und er machte weniger seiner berüchtigten »Sommerbraten«, trotzdem waren die Grenzen der Erziehbarkeit eines Mannes erreicht.
    »Tässchen Tee gefällig?«, fragte er mit der Stimme einer Cockney-Putzfrau.
    »Nein, danke, Liebes.«
    »Arme Ritter?« Schottischer Akzent. »Hätteste gern ’nen Armen Ritter, mein Schnuffel?«
    Schnuffel war ein Novum. Nach dem Grund befragt, hatte Ian erklärt, sie sei einfach so süß und schnuffelig. Im Gegenzug hatte sie vorgeschlagen, ihn von jetzt an Muffel zu nennen; Muffel und Schnuffel, Muffelchen und Schnuffelchen, aber es hatte sich nicht durchgesetzt.
    »… Scheibchen Arme Ritter? Bisschen was für innen Magen heute Abend?«
    Heute Abend. Das war es. Ian ging oft die ganze Dialekt-Palette durch, wenn er etwas auf dem Herzen hatte, was er mit normaler Stimme nicht aussprechen konnte.
    »Wichtiger Abend heute. Ausgehen mit Mr TV höchstpersönlich.«
    Sie beschloss, ihn zu ignorieren, aber er machte es ihr nicht leicht. Das Kinn auf ihren Kopf gestützt, las er die Worte auf dem Bildschirm.
    » Das Scharlachrote Porträt … «
    Sie deckte den Bildschirm mit der Hand ab. »Hör bitte auf, mir über die Schulter zu gucken.«
    »Emma D. Wilde. Wer soll das sein?«
    »Das ist mein Pseudonym. Ian …«
    »Und wofür steht das D?«
    »Drittklassig.«
    »Dramatisch. Deliziös.«
    »Dumm, wie in dumm wie …«
    »Wenn ich es mal lesen soll …«
    »Warum solltest du es lesen wollen? Es ist scheiße.«
    »Nichts, was du machst, ist scheiße.«
    »Das schon.« Sie blickte zur Seite, schaltete den Monitor aus, und ohne den Kopf zu drehen, wusste sie, dass Ian wieder einmal aussah wie ein begossener Pudel. In letzter Zeit ging es ihr häufig so mit ihm, sie schwankte ständig zwischen Gereiztheit und Gewissensbissen. »Verzeih meine Laune!«, sagt sie, nahm seine Finger und schüttelte sie.
    Er küsste sie auf den Kopf und murmelte in ihr Haar: »Weißt du, wofür es wirklich steht? ›Der‹ wie in ›Der Hammer‹. Emma D. H. Wilde.«
    Dann war er weg; die klassische Kompliment-und-Flucht-Technik. Emma, die auf keinen Fall sofort klein beigeben wollte, warf die Tür zu, schaltete den Bildschirm wieder ein, las, was dort stand, schauderte, schloss die Datei und verschob sie zum Papierkorbsymbol. Ein elektronisches Geräusch von zerknülltem Papier, das tägliche Brot des Schriftstellers.
    Das Heulen des Feuermelders deutete darauf hin, dass Ian kochte. Sie stand auf und folgte dem Geruch nach angebrannter Butter durch den Flur in die Küche/Essecke; kein abgetrennter Raum, sondern die fettigste Ecke des Wohnzimmers in der Wohnung, die sie gemeinsam gekauft hatten. Emma war sich wegen der Wohnung nicht sicher gewesen; es war einer dieser Orte, an die immer die Polizei gerufen wird, sagte sie, aber Ian hatte sie überredet. Es sei verrückt, Miete zu zahlen, sie sähen sich sowieso fast jeden Abend, es war nahe bei ihrer Schule, nur eine Übergangslösung usw., und so hatten sie Geld für die Anzahlung zusammengekratzt, ein paar Bücher über Inneneinrichtung

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