Zwei an Einem Tag
dass sich ein Mann wie ein Geheimagent fühlte. Nach dem grimmigen, ideologischen Erziehungsgulag Mitte der 80er, der Schuld und all der linken Politik durfte man endlich etwas Spaß haben, und war es wirklich so schlimm, Cocktails, Zigaretten und einen Flirt mit einem hübschen Mädchen zu mögen?
Und die Witze; warum machte sie ständig spitze Bemerkungen über seine Schwächen? Er hatte sie nicht vergessen. All das Gelaber darüber, wie »piekfein« alles ist, mein-fetter-Hintern hier und orthopädische High-Heels da, die endlose, endlose Selbstironie. Nun, Gott schütze mich vor Komödiant innen , dachte er, mit ihren Herabsetzungen, den bissigen Randbemerkungen, der Unsicherheit und dem Selbsthass. Warum konnte eine Frau nicht graziös, elegant und selbstbewusst sein, anstatt sich dauernd wie eine gereizte Stand-up-Komikerin aufzuführen?
Und Klassenbewusstsein! Davon ganz zu schweigen. Er lädt sie in ein großartiges Restaurant ein und, zack, setzt sie sich die Arbeitermütze auf! Diese ganze Held-der-Arbeiterklasse-Masche mit ihrer Eitelkeit und Selbstachtung machte ihn wahnsinnig. Warum reitet sie immer noch darauf herum, dass sie auf eine Gesamtschule gegangen, in den Ferien nie ins Ausland gefahren ist und noch nie eine Auster gegessen hat? Sie ist 30 Jahre alt, das ist lange, lange her, und es ist Zeit, dass sie die Verantwortung für ihr Leben übernimmt. Er gab dem Nigerianer, der ihm das Handtuch reichte, ein Pfund Trinkgeld, ging zurück ins Restaurant, sah Emma am anderen Ende des Raumes in dem Beerdigungskleid von der High Street mit dem Besteck spielen und ärgerte sich wieder. Zu seiner Rechten sah er das Zigarettengirl allein an der Bar stehen. Sie sah ihn, lächelte, und er beschloss, einen kleinen Umweg zu machen.
»Zwanzig Marlboro Lights, bitte.«
»Was, schon wieder?«, lachte sie und berührte sein Handgelenk.
»Was soll ich sagen? Ich bin halt anhänglich.«
Wieder lachte sie, und er stellte sich vor, wie sie in der Nische neben ihm saß und er ihr eine Hand auf den bestrumpften Schenkel legte. Er griff nach seiner Brieftasche. »Genau genommen gehe ich nachher mit meiner ehemaligen Kommilitonin da drüben zu einer Party …« Ehemalige Kommilitonin, dachte er, guter Einfall, »… und ich will nicht, dass mir die Zigaretten ausgehen.« Mit Zeige-und Mittelfinger reichte er ihr einen steif der Länge nach gefalteten Fünf-Pfund-Schein. »Behalten Sie den Rest.«
Sie lächelte, und er bemerkte, dass sie einen winzigen, rubinroten Lippenstiftfleck auf den weißen Schneidezähnen hatte. Gern hätte er ihr Kinn angefasst und ihn mit dem Daumen weggewischt.
»Sie haben da Lippenstift …«
»Wo?«
Er streckte den Arm aus, bis seine Finger nur noch Zentimeter von ihrem Mund entfernt waren. »Genau da.«
»Man kann mich nirgendwo hinlassen!« Sie fuhr sich mit der rosigen Zungespitze über die Zähne. »Besser?«, sagte sie grinsend.
»Viel besser.« Lächelnd wandte er sich zum Gehen, drehte sich aber noch einmal zu ihr um.
»Aus reiner Neugier«, sagte er, »wann machen Sie hier Schluss?«
Die Austern waren gebracht worden und lagen fremdartig und glänzend auf ihrem Bett aus schmelzendem Eis. Emma hatte in der Zwischenzeit kräftig gebechert und trug das fixe Lächeln einer Person zu Schau, der es überhaupt nichts ausmacht, allein gelassen zu werden. Schließlich entdeckte sie ihn, der sich etwas unschlüssig einen Weg durch die Menge bahnte. Er zwängte sich in die Nische.
»Ich dachte schon, du bist ins Klo gefallen!« Das hatte ihre Großmutter immer gesagt. Sie benutzte Witze ihrer Großmutter.
»Entschuldige«, sagte er nur. Sie fingen an, die Austern zu essen. »Hör zu, ich gehe nachher noch auf eine Party. Bei meinem Kumpel Oliver, mit dem ich Poker spiele. Ich hab dir von ihm erzählt.« Er schlürfte die Auster. »Er ist ein Baronet.«
Emma spürte, wie ihr Meerwasser das Handgelenk hinunterlief. »Und warum sagst du mir das?«
»Was meinst du?«
»Dass er ein Baronet ist.«
»Ich meine ja nur, er ist ein netter Kerl. Etwas Zitrone zur Auster?«
»Nein, danke.« Sie schluckte das Ding und versuchte herauszufinden, ob er sie einlud oder nur informierte, dass eine Party stattfand. »Wo ist die Party denn?«, fragte sie.
»Holland Park. Riesiges Haus.«
»Aha. Okay.«
Sie war sich immer noch nicht sicher – lud er sie ein, oder wollte er sich nur früh verdrücken? Sie aß noch eine Auster.
»Du kannst gern mitkommen«, sagte er schließlich und griff nach der
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