Zwei an Einem Tag
Chancengleichheit und Bürgerrechte gehen und nicht darum, einer Frau zu verbieten, was sie aus freien Stücken am Samstagabend anzieht!«
Vor Empörung blieb ihr der Mund offen stehen. »Das habe ich doch gar nicht …«
»Und außerdem, ich lade dich zum Essen ein! Also nerv mich nicht!«
Wenn er sich so benahm, musste sie sich selbst daran erinnern, dass sie in ihn verliebt war, zumindest vor etlichen Jahren mal. Wieder einmal standen sie kurz vor einem langen, sinnlosen Streit, den sie wahrscheinlich gewinnen, der aber den Abend ruinieren würde. Sie verbarg das Gesicht hinter dem Drink, biss ins Glas und zählte langsam, bevor sie sagte: »Lass uns das Thema wechseln.«
Aber er hörte gar nicht hin und sah an ihr vorbei, als der Oberkellner sie herbeiwinkte. »Komm, ich habe uns einen Nischenplatz reserviert.«
Sie ließen sich auf den violetten Samtbänken nieder und betrachteten schweigend die Speisekarten. Emma hatte noble Gerichte erwartet, aber im Grunde war es nur teures Kantinenessen; Fischfrikadellen, Pastete und Hamburger, und sie erkannte das Poseidon als die Art von Restaurant, wo Ketchup in Silberschälchen serviert wird. »Das ist moderne, britische Küche«, erklärte Dexter geduldig, als sei es sehr modern und sehr britisch, ein Vermögen für Würstchen mit Kartoffelpüree hinzublättern.
»Ich nehme die Austern«, sagte er, »die einheimischen.«
»Und, sind sie freundlich gesinnt?«, witzelte Emma schwach.
» Was? «
»Die Einheimischen – sind sie freundlich gesinnt?«, wiederholte sie und dachte, mein Gott, ich verwandle mich langsam in Ian.
Verständnislos runzelte Dexter die Stirn und wandte sich wieder der Karte zu. »Nein, sie sind milder, perlig, mild und feiner als Felsenaustern, kleiner. Ich bestelle zwölf.«
»Du hast ja plötzlich so viel Ahnung.«
»Ich mag Essen. Essen und Wein, schon immer.«
»Ich erinnere mich an den kurzgebratenen Thunfisch, den du mir mal gemacht hast. Ich habe den Geschmack immer noch im Mund. Ammoniak …«
»Nicht Kochen, Restaurants. Ich gehe fast jeden Tag essen. Man hat mich sogar gefragt, ob ich für eine Sonntagszeitung Kritiken schreiben will.«
»Über Restaurants?«
»Cocktailbars. Eine wöchentlich Kolumne namens ›Salonlöwe‹, so eine Lebemann-Sache.«
»Und schreibst du sie selbst?«
»Natürlich schreibe ich sie selbst!«, sagte er, obwohl man ihm versichert hatte, ein Ghostwriter würde den Großteil der Arbeit übernehmen.
»Und was gibt es über Cocktails zu sagen?«
»Du wärst überrascht. Cocktails sind zurzeit extrem hip. So eine Retro-Glamour-Sache. Genau genommen …«, er nippte an dem leeren Martiniglas, »… bin ich auch kein schlechter Mixologist.«
»Misogynist?«
»Mix ol ogist.«
»Tschuldige, hab ›Misogynist‹ verstanden.«
»Frag mich, wie man einen Cocktail macht, irgendeinen.«
Sie legte den Finger ans Kinn. »Okay, ähm … Radler!«
»Im Ernst, Em. Es ist eine Kunst.«
»Was?«
»Mixologie. Es gibt dafür spezielle Kurse.«
»Vielleicht hättest du darin deinen Abschluss machen sollen.«
»Das hätte mir auch verdammt noch mal mehr gebracht.«
Die Bemerkung war so angriffslustig und bitter, dass Emma sichtlich zusammenzuckte, und selbst Dexter wirkte etwas erschrocken und verbarg das Gesicht hinter der Weinkarte. »Willst du roten oder weißen? Ich bestelle noch einen Martini, dann fangen wir mit einem schönen lieblichen Muskateller zu den Austern an und nehmen dann einen Margaux. Was sagst du dazu?«
Er bestellte, ging dann wieder aufs Klo und nahm den zweiten Martini mit, was Emma ungewöhnlich und leicht beunruhigend fand. Die Minuten krochen dahin. Sie las das Weinetikett, las es noch einmal, starrte ins Leere und fragte sich, seit wann er so ein, so ein … Mixologist war? Und warum klang sie so spitzzüngig, gemein und freudlos? Es kümmerte sie eigentlich nicht, was das Zigarettengirl trug, jedenfalls nicht besonders, warum war sie dann so spießig und überkritisch? Sie beschloss, sich zu entspannen und Spaß zu haben. Es ging schließlich um Dexter, ihren besten Freund, den sie mochte. Oder?
In Londons fantastischster Toilette beugte sich Dexter über das Waschbecken und dachte fast dasselbe. Er mochte Emma Morley, glaubte er zumindest, aber ihre Selbstgerechtigkeit, die nach Gemeindezentrum, Theater-Genossenschaft und dem Jahr 1988 roch, ärgerte ihn. Sie war so, so … ein Sozi. Das war unangemessen, besonders an einem Ort wie diesem – der war doch wie gemacht dafür,
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