Zwei an Einem Tag
Emma Morley. Werd meine Frau.
»Ich liebe dich, Em«, sagt er.
»Ich dich auch«, erwidert Emma. »Ich dich auch.«
In der zwanzigminütigen Pause sitzt das Zigarettengirl mit einer Jacke über dem Kostüm an der Bar, nippt an einem Whisky und hört dem Mann zu, der ununterbrochen über seine Freundin redet, das arme, hübsche Mädchen, das auf der Treppe hingefallen ist. Anscheinend haben sie sich gestritten. Mit halbem Ohr hört sie dem Monolog des Mannes zu, nickt von Zeit zu Zeit und wirft verstohlen einen Blick auf die Uhr. Es ist fünf vor zwölf, und sie sollte wirklich zurück an die Arbeit gehen. In der Stunde zwischen Mitternacht und ein Uhr gibt es die meisten Trinkgelder, wenn die Lust und Dummheit der männlichen Gäste den Höhepunkt erreicht hat. Noch fünf Minuten, dann wird sie gehen. Der arme Kerl kann sowieso kaum noch stehen.
Sie kennt ihn aus dieser dämlichen Fernsehsendung – ist er nicht mit Suki Meadows zusammen? –, kann sich aber nicht an seinen Namen erinnern. Schaut sich die überhaupt jemand an? Sein Anzug ist fleckig, die Taschen sind voller unangebrochener Zigarettenpäckchen, seine Nase glänzt fettig, und er hat Mundgeruch. Außerdem hat er sie immer noch nicht nach ihrem richtigen Namen gefragt.
Das Zigarettengirl heißt Cheryl Thomson. Sonst ist sie Krankenschwester, ein Knochenjob, aber manchmal legt sie eine Extraschicht im Restaurant ein, weil sie den Geschäftsführer von der Schule kennt und das Trinkgeld unglaublich ist, wenn man zu einem kleinen Flirt bereit ist. In ihrer Wohnung in Kilburn wartet ihr Verlobter auf sie. Milo, 1,88 Meter groß, Italiener, ein ehemaliger Fußballspieler, der auf Krankenpfleger umgesattelt hat. Sehr gutaussehend, im September werden sie heiraten.
All das würde sie dem Mann erzählen, wenn er fragte, tut er aber nicht, deshalb entschuldigt sie sich zwei Minuten vor Mitternacht an diesem St.-Swithins-Tag – ich muss zurück zur Arbeit, nein, ich kann nicht mit zur Party kommen, ja, ich habe Ihre Nummer, ich hoffe, Sie und ihre Freundin versöhnen sich wieder – und überlässt den Mann, der sich gleich noch einen Drink bestellt, an der Bar sich selbst.
DRITTER TEIL
1996–2001
Anfang dreißig
Manchmal ist man sich der großen Augenblicke in seinem Leben bewusst, wenn sie passieren, manchmal steigen sie aus der Vergangenheit auf. Vielleicht verhält es sich mit Menschen genauso.
James Salter, Verbrannte Tage
KAPITEL ZEHN
Carpe diem
Montag, 15. Juli 1996
Leytonstone und Walthamstow
Mit bis zur Taille hochgeschobenem Kleid liegt Emma Morley rücklings auf dem Boden im Büro des Schulleiters und atmet langsam durch den Mund aus.
»Ach, und übrigens. Die siebte Klasse braucht Neuausgaben von Des Sommers ganze Fülle .«
»Mal sehen, was ich tun kann«, sagt der Schulleiter und knöpft sich das Hemd zu.
»Und wo du mich schon mal auf dem Teppich hast, haben wir sonst noch was zu besprechen? Budgetprobleme, Schulaufsichtsprüfung? Willst du dir noch irgendwas vornehmen?«
» Dich will ich mir noch mal vornehmen«, sagt er, legt sich wieder hin und küsst sie auf den Hals. Das ist genau die Art von unsinniger Anzüglichkeit, auf die sich Mr Godalming – Phil – spezialisiert hat.
»Was soll das heißen? Das heißt doch nichts.« Missbilligend schnalzt sie mit der Zunge, schüttelt ihn ab und fragt sich, warum sie nach dem Sex, selbst wenn er gut war, immer so schlechte Laune hat. Eine Weile liegen sie schweigend da. Es ist halb sieben Uhr abends gegen Ende des Halbjahres, und in der Cromwell-Road-Gesamtschule herrscht die unheimliche Stille nach Schulschluss. Das Reinigungspersonal ist gegangen, die Bürotür ist von innen abgeschlossen, trotzdem ist ihr nicht ganz wohl. Sollte sich danach nicht eine angenehme Entspannung, eine Art Wohlbefinden und Gemeinschaftsgefühl einstellen? In den letzten neun Monaten hat sie auf Büroteppichen, Plastikstühlen und Pressholztischen gevögelt. Stets um das Lehrpersonal bemüht, hat Phil ein Schaumstoffkissen vom Bürostuhl genommen, das jetzt unter ihrem Po liegt, trotzdem wäre es nett, irgendwann mal auf einem Möbelstück Sex zu haben, das nicht stapelbar ist.
»Weißt du was?«, sagt der Schulleiter.
»Was?«
»Ich finde dich sensationell«, sagt er und drückt ihre Brust, um den Worten Nachdruck zu verleihen. »Ich weiß gar nicht, wie ich sechs Wochen ohne dich auskommen soll.«
»Wenigstens kann der Ausschlag, den du vom Teppich kriegst, dann endlich mal abheilen.«
»Sechs
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