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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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zieht sich an und geht zum Fenster. Staub liegt auf den Lamellen der Jalousien, der Naturwissenschaftstrakt ist in rosiges Licht getaucht, und plötzlich wünscht sich Emma, sie wäre im Park, am Strand oder auf einem Platz in irgendeiner europäischen Stadt, überall, nur nicht in diesem stickigen Büro mit einem verheirateten Mann. Wie kommt es, dass man eines Morgens aufwacht, über 30 und jemandes Geliebte ist? Das Wort ist abstoßend und unterwürfig, sie will lieber nicht daran denken, aber ihr fällt kein besseres ein. Sie ist die Geliebte ihres Chefs, und das einzig Gute an der Situation ist, dass keine Kinder im Spiel sind.
    Die Affäre – noch ein schrecklicheres Wort – hat im letzten September angefangen, nach dem katastrophalen Korfu-Urlaub und dem Verlobungsring in den Tintenfischringen. »Wir wollen verschiedene Dinge«, war alles, was ihr dazu einfiel, und der Rest der endlosen zwei Wochen verging in einem Nebel von Sonnenbrand, Schmollen, Selbstmitleid und Besorgnis darüber, ob der Juwelier den Ring zurücknehmen würde. Es gab nichts Melancholischeres auf der Welt als diesen ungewollten Verlobungsring. Er lag im Hotelzimmer im Koffer, schien aber selbst von dort Traurigkeit zu verbreiten.
    Gebräunt und unglücklich kam sie aus dem Urlaub zurück. Ihre Mutter, die vom Antrag wusste, praktisch schon ihr Kleid für die Hochzeit gekauft hatte, tobte und beklagte sich wochenlang bei Emma, bis die an der Ablehnung zu zweifeln begann. Aber ja zu sagen, hätte sich angefühlt, wie klein beizugeben, und Emma wusste aus Romanen, dass man in Bezug aufs Heiraten nie klein beigeben sollte.
    Die Affäre hatte alles besiegelt. Während einer Routinebesprechung in Phils Büro war sie in Tränen ausgebrochen, und er war um den Schreibtisch zu ihr gegangen, hatte den Arm um sie gelegt und sie auf den Kopf geküsst, als wolle er sagen »na, endlich«. Nach der Arbeit hatte er sie in einen Pub mitgenommen, von dem er gehört hatte, wo man Bier trinken, aber auch gut essen konnte. Sie hatten Rib-Eye-Steaks und Salat mit Ziegenkäse gegessen, und als sich ihre Knie unter dem großen Holztisch berührten, hatte sie ihm ihr Herz ausgeschüttet. Nach der zweiten Flasche Wein war es nur noch Formsache gewesen: die Umarmung auf der Heimfahrt im Taxi, die zu einem Kuss führte, der braune Schulumschlag in ihrem Fach (Wegen letzter Nacht, muss immer an dich denken, fühle schon seit Jahren so, wir müssen reden, wann kann ich dich sehen?) .
    Alles, was Emma übers Fremdgehen wusste, kannte sie aus Fernsehdramen der 70er. Sie verband damit Cinzano, Triumph-TR7-Sportwagen, Käse und Weinpartys und hielt es für etwas, was hauptsächlich in der gehobenen Gesellschaft vorkam: Golf, Jachten, Fremdgehen. Nun, da sie selbst in eine Affäre verstrickt war – mit allem Drum und Dran, heimliche Blicke, Händchenhalten unterm Tisch, Fummeleien im Büroartikelraum –, war sie überrascht, wie vertraut ihr alles vorkam und wie stark Lust in Verbindung mit Scham und Selbsthass sein konnte.
    Eines Abends, nachdem sie sich in der Kulisse der Weihnachtsaufführung von Grease geliebt hatten, hatte er ihr feierlich ein Präsent überreicht.
    »Es ist ein Handy! Für den Fall, dass ich deine Stimme hören möchte.«
    Sie saß auf der Motorhaube von Greased Lightening, starrte das Päckchen an und seufzte. »Na ja, irgendwann musste das wohl passieren, schätze ich.«
    »Was ist? Gefällts dir nicht?«
    »Nein, es ist toll.« Lächelnd erinnerte sie sich. »Ich hab nur gerade eine Wette verloren.«
    Manchmal – wenn sie an einem klaren Herbstabend an einem abgelegenen Teil der Hackney Marshes spazierengingen und redeten oder beschwipst vom Glühwein beim Weihnachtsgottesdienst kicherten, während ihre Hüften sich berührten – glaubte sie, in Phillip Godalming verliebt zu sein. Er war ein guter, leidenschaftlicher Lehrer mit Prinzipien, wenn auch manchmal etwas wichtigtuerisch. Er hatte nette Augen und Humor. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie das Objekt einer an Besessenheit grenzenden sexuellen Vernarrtheit. Natürlich war er mit 44 Jahren viel zu alt, und sein Körper war unter dem Pelz schon etwas schlaff und teigig, aber er war ein ernsthafter und leidenschaftlicher Liebhaber, manchmal ein bisschen zu leidenschaftlich für ihren Geschmack: Er grimassierte und redete beim Sex. Es war schwer zu glauben, dass derselbe Mann, der vor einer Versammlung einen Vortrag über einen Wohltätigkeitslauf halten konnte, solche Ausdrücke in den

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