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Zwei auf Achse

Zwei auf Achse

Titel: Zwei auf Achse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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zugezogen, Kapuze übern Kopf, Hände in die Tasche gesteckt, und dann kann dir die ganze Welt im Mondschein begegnen.“
    Sie trafen nur noch vereinzelte Spaziergänger, meistens Liebespaare, die untergehakt durch die Anlagen schlenderten.
    „Guck dir mal die beiden dahinten an“, sagte Joachim und stieß Lutz in die Seite, „die knutschen aber ganz schön ‘rum, was? Die haben es nicht eilig, den Park zu verlassen.“
    „Mag schon sein“, antwortete Lutz, „aber mein Geflügelsalat hat es plötzlich sehr eilig, mich zu verlassen. Warte mal einen Augenblick, ich hocke mich da unter den Busch.“
    „Man zu“, sagte Joachim, „aber paß auf, daß du dich nicht in einen Ameisenhaufen setzt!“
    Lutz verschwand. Als er nach einigen Minuten wiederkam, war er ganz aufgeregt.
    „Du, Joachim“, rief er, „ich hab’ da hinten einen merkwürdigen Turm entdeckt, einen Aussichtsturm oder so was Ähnliches! Ich glaube, in dem Ding könnten wir ganz gut übernachten. Da steigt heute bestimmt keiner mehr ‘rauf. Willste es dir nicht mal angucken?“
    „Angucken kostet ja nichts“, sagte Joachim. „Wo steht dein Turm denn?“
    „Nur ein paar Schritte von hier. Komm, ich führe dich!“ Wenig später standen sie davor.
    Sie gingen um das Bauwerk herum, schätzten die Höhe, staunten über die Säulen und befanden sich plötzlich ohne ein weiteres Wort der Verständigung auf der Treppe. Unwillkürlich traten sie leise auf. Es war ihnen doch recht unheimlich in dem luftigen Gebäude, in dem schon Nacht und Dunkel wohnten. Hoch oben unter dem Dach blieben sie aufatmend stehen.
    „Ganz schön finster hier, was?“ flüsterte Lutz.
    „Das kannst du wohl sagen“, bestätigte Joachim. „Aber das hat auch seine Vorteile. Wenn wir uns hier hinlegen, können wir ungestört schlafen. Ein einzelner Mensch hat bestimmt nicht den Mut, jetzt noch hier ‘raufzusteigen, das wäre ihm viel zu schaurig.“
    „Ich finde es auch ziemlich schaurig“, sagte Lutz. „Wenn ich mir vorstelle, ich wäre allein hier oben...!“
    Joachim nickte.
    „Ja“, gab er zu, „für einen allein wäre das ein richtiger Gruselort. Aber wenn jemand bei dir ist, empfindest du alles nur halb so schlimm. Ich mußte mal nachts über einen Friedhof gehen, damals, als wir noch in Syke wohnten, weil ich mit einem Jungen aus meiner Klasse gewettet hatte. Erst hab’ ich ja mächtig angegeben und getan, als ob nichts dabei wäre. Aber als es dann soweit war, hätte ich die Sache am liebsten rückgängig gemacht. Um nicht als Prahlhans und Feigling dazustehen, hab’ ich es doch getan. Ich hab’ mir mein kleines Kaninchen aus dem Stall geholt, ganz fest an mich gepreßt und bin losgerannt. Du, und da ging’s! Nur weil ich das harmlose Karnickel auf dem Arm hatte, brachte ich den Mut auf, an den Gräbern und der Leichenhalle vorbeizugehen. Das Viech hatte nämlich eine Bierruhe, weißte, war kein bißchen aufgeregt und so. Ist ja klar, Tiere haben keine Phantasie, und wer keine Phantasie hat, kennt auch keine Angst. Aber mit unsereins ist das ganz anders. Wir stellen uns vor, wem wir da alles auf dem Friedhof begegnen können, und dann kriegen wir vor Herzklopfen und Knieschlottern keinen Fuß vor den andern.“
    Lutz schüttelte sich. Ihn fröstelte. Er nahm seinen Campingbeutel von der Schulter und öffnete ihn.
    „Weißt du, was ich jetzt tue?“ fragte er. „Ich ziehe alle Klamotten an, die ich mithabe, meine zweite Unterhose, das Hemd und den Pullover. Das wärmt, und man ist besser gepolstert, wenn man einfach so auf dem Fußboden liegen muß.“
    „Kein schlechter Gedanke“, sagte Joachim, „das mache ich auch.“
    Mehr als zehn Minuten waren sie nun damit beschäftigt, sich für die Nacht umzuziehen. Dann waren sie so verpackt, daß sie auch am Nordpol hätten schlafen können. „Wenn ich mir jetzt noch die Kapuze über die Augen ziehe, ist es fast so gemütlich wie in einem Zimmer“, stellte Joachim befriedigt fest.
    Sie legten sich vorsichtig auf den Boden, kuschelten sich eng aneinander und warteten auf den Schlaf. Aber der ließ sich Zeit, denn weil sie am Nachmittag so lange geschlafen hatten, waren sie noch gar nicht müde.
    Der hölzerne Turm knarrte leise im leichten Wind, wie fernes Wellenschlägen rauschte der Wald, ein Nachtvogel schrie.
    „Weißt du, woran ich gerade denken muß?“ flüsterte Lutz.
    „An dein Bett zu Hause wahrscheinlich“, antwortete Joachim.
    „Nein, an deinen Vater!“
    „An meinen Vater? Sag mal, bist

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