Zwei auf Achse
schlossen die Augen. Sie hörten das Summen und Brummen der vielen Insekten, die in ihrem Busch die Blüten abweideten, das Lachen eines Mädchens, ferne, sehr ferne die Verkehrsgeräusche auf den Straßen.
Die Bilder ihrer Gedanken verblaßten, sie schliefen ein. Erst kurz vor sechs erwachte Lutz. Neben ihm der Platz war leer. Er sah sich erschrocken um. Sollte Joachim ihn heimlich verlassen haben?
„Joachim!“ rief er leise. Und gleich darauf laut und ängstlich: „Joachim, wo bist du?“
„Auf dem Klo“, antwortete der aus einiger Entfernung. „Der Geflügelsalat will mich verlassen.“
Lutz atmete erleichtert auf. Ohne Joachim käme er nicht zurecht. Der packte alles an, hatte vor nichts Angst und war geschickt wie ein Erwachsener. Wenn er jemals seinen Vater finden würde, dann nur mit Joachims Hilfe.
Lutz trat aus dem Busch hinaus und reckte sich. Die Sonne stand schon recht tief, aber es war immer noch sehr heiß. Etwa 20 Meter entfernt von ihm lagen einige Leute im Gras. Ein Kind lief herum und pflückte Blumen. Lutz klopfte sich die Erde von der Hose und fuhr mit der Hand durchs Haar.
„Joachim“, rief er, „kommste endlich?“
„Ja, ja“, tönte es aus dem Busch, „nur noch eine halbe Sekunde!“
Aber es dauerte doch noch eine ganze Weile, bis er neben Lutz auftauchte. Gerade öffnete er den Mund, um etwas zu sagen, da schoß ein großer Hund auf sie zu, ein Dalmatiner. Er verharrte zehn Schritte vor ihnen und bellte sie an.
„Paß auf!“ rief Joachim. „Der hat was vor mit uns! Ich kenne die Viecher, die sind bissig wie ein Wolf und falsch wie eine Katze.“
„Von wem haste denn die Weisheit?“ fragte Lutz. „Das sind doch die friedlichsten Tiere der Welt.“
„Ach nee“, spottete Joachim. „Und warum zeigt uns die giftige Töle ihre plombierten Beißerchen?“
„Weil sie merkt, daß du sie nicht magst. Das kann ein Hund nämlich irgendwie erfühlen. Ich will mal versuchen, ihn anzulocken und zu streicheln.“
„Mach bloß keinen Quatsch!“ warnte Joachim. „Hundebisse sind gefährlich, damit mußt du ins Krankenhaus.“ Lutz antwortete nicht. Er ging langsam auf das große Tier zu, hatte eine Hand vorgestreckt und lockte es zärtlich. „Na, nun komm doch mal her“, sagte er, „bist doch ein braves Tierchen, nicht? Bist doch ein lieber, guter Hund, hm?“
Der Hund bellte noch einmal, aber sehr leise. Es klang nicht böse, sondern fast wie eine Antwort auf die freundlichen Worte, die sein Ohr trafen. Dann hielt er den Kopf schief, ließ die Zunge aus dem Maul hängen und sah Lutz entgegen, der sich ihm langsam näherte.
„Ich mag gar nicht hingucken“, sagte Joachim. „Ist doch klar, daß der gleich zuschnappt wie ‘ne Rattenfalle!“ Aber das tat er nicht. Lutz konnte ihn anfassen, ihm das Fell kraulen und den Hals tätscheln. Er ließ sich alles gefallen und hatte es offensichtlich sehr gern. Plötzlich aber wandte er ruckartig den Kopf, drehte sich um und schoß davon. Lutz kam lächelnd zu Joachim zurück.
„Er hat die Pfeife seines Herrn gehört“, sagte er, „und als guterzogener Hund weiß er, daß er zu gehorchen hat und sofort kommen muß.“
Joachim schüttelte den Kopf.
„Freu dich, daß du noch alle deine Finger hast. Wenn der zugebissen hätte, wärst du zeit deines Lebens ein Krüppel gewesen.“
Lutz winkte ab.
„So schnell beißen die nicht zu“, sagte er. „Du darfst sie nur nicht erschrecken und mußt dich vernünftig verhalten. Ich kenn’ mich aus. Alle Hunde bei uns in der Nachbarschaft sind meine Freunde, und ich hätte längst selbst einen, wenn meine Oma einen halten dürfte in ihrer blöden Mietwohnung. Hunde sind wunderbare Tiere!“
„Hahaha!“ rief Joachim. „Dreimal kurz gelacht! Der widerliche Köter, der da neulich hinter meinem Fahrrad herschoß und mit seinen Reißzähnen nach meiner Hose schnappte, hatte aber nichts Wunderbares an sich, du, schon eher was Fürchterbares.“
„Vielleicht hast du ihn gereizt“, sagte Lutz, „hast ihm irgendwas zugerufen oder so.“
„Na klar, hab’ ich das!“ rief Joachim. „Mach Platz, du Mistwanze! hab’ ich gerufen. Sonst fahr’ ich dir den Schwanz ab!“
„Da hast du’s!“ sagte Lutz. „Das hat ihn böse gemacht.“ Und nach einer kleinen Pause fuhr er fort: „Vor sieben oder acht Jahren hatte ich selber mal einen Hund. Meine Oma mußte damals für längere Zeit ins Krankenhaus, und ich sollte währenddessen zu meiner Mutter nach Hamburg. Aber ich weigerte
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