Zwei auf Achse
du noch zu retten? Wie kommste denn auf den?“
„Ich brauche jemanden, den ich mit meinem Vater vergleichen kann, und da fiel er mir ein.“
„Deinen Vater kennste doch überhaupt nicht!“
„Aber ich kann ihn mir vorstellen. Er ist bestimmt das genaue Gegenteil von deinem Vater.“
Joachim zog die Beine an, so daß die Knie hochstanden. „Das wünsche ich dir von Herzen“, sagte er, „dann wäre er in jeder Beziehung ideal. Mein Vater ist klein und mies, demnach wäre deiner groß und freundlich; das Gesicht von meinem Alten ist so faltig wie zerknittertes Butterbrotpapier, das von deinem muß dann wohl so glatt sein wie ein Kinderpopo. Wenn du nun noch weißt, daß mein ehrenwerter Erzeuger immer mißgelaunt und sauer ist, kann deiner ja nur der angenehmste Mensch von der Welt sein, ein Edelknabe sozusagen.“
Er lachte spöttisch.
„Aber ich glaube, du machst dir da selber was vor, solche Väter gibt es nämlich nicht. Die Erwachsenen haben doch alle irgendeine Macke. Ich hab’ noch keinen kennengelernt, zu dem ich restlos ja sagen konnte.“
Lutz drehte sich halb zu Joachim um.
„Alle Menschen haben irgendeine Macke“, sagte er, „Kinder auch. Denk doch nur mal an unsere Klasse, an den langen Herbold zum Beispiel! Der frißt den ganzen Tag, in jeder Stunde zwei, drei Stullen und jede Menge Bananen, Äpfel und Apfelsinen, und die Abfälle schmeißt er regelmäßig hinter die Heizung, wo die Putzfrauen sie nachmittags nur mit viel Mühe und Anstrengung hervorholen können! Das ist doch wohl ‘ne ganz schöne Macke, meinste nicht auch?“
„Zugegeben“, sagte Joachim und lachte. „Aber der Herbold ist dennoch irgendwie klasse. Er hat so was rücksichtslos Verfressenes an sich, daß man ihn deswegen beinah beneiden kann.“
„Den und beneiden!“ rief Lutz. „Höchstens bedauern kann man ihn! Und dann denk mal an die eingebildete Gerteling, die sich anmalt wie ein Filmstar und jeden Mittag von diesem Supertyp auf seinem selbstgestrickten Mofa abgeholt wird: Die hat doch schon ‘ne richtige Obermacke.“
„Du, die kommt aber toll an bei den Jungs“, sagte Joachim, „ehrlich! Ich bin ihr auch mal ‘ne Weile nachgestiegen.“
„Hör doch auf!“ wehrte Lutz ab. „Mit so einer aufgedonnerten Zicke kannste dich doch nirgends sehen lassen.“
Joachim gnickerte in sich hinein und war dann eine Weile still. Schließlich sagte er: „Mag schon sein, daß jeder was an sich hat, was die andern stört. Aber da gibt es einen großen Unterschied. Wenn dich an Kindern irgendwas ärgert, an deinen Klassenkameraden zum Beispiel, berührt dich das nicht so, du weichst ihnen aus und läßt sie einfach links liegen. Aber bei Erwachsenen ist das echt schlimm. Die kannste nicht einfach links liegenlassen, wenigstens die nicht, mit denen du zu tun hast, deine Eltern und deine Lehrer. Von denen bist du ja irgendwie abhängig. Darum mußt du dir alles von ihnen gefallen lassen, sonst hauen sie dich in die Pfanne. Und das ist nach meiner Meinung eine große Sauerei.“
Lutz antwortete nicht darauf, und Joachim dachte schon, er sei eingeschlafen. Aber er wachte noch. Nach einer längeren Pause ließ er sich wieder vernehmen.
„Ich glaube, wenn es einem Menschen so richtig gut geht“, sagte er, „wenn er keinen Ärger hat mit seiner Familie, nicht krank ist, genug Geld verdient und auch sonst keine Sorgen hat, dann muß man gut mit ihm auskommen können, dann hat er keine Macke oder sowas. Vielleicht ist er ein bißchen verschroben, ja, aber das stört ja nicht weiter, darüber kann man höchstens lachen. Ich hab’ das Gefühl, daß dein Vater in seinem Büro nicht glücklich ist und deshalb auf dir herumprügelt. Da lief neulich mal so’n Film im Fernsehen, über Erfolg am Arbeitsplatz, da wurde gesagt, daß ein Mensch sogar krank werden kann, wenn er mit seiner Arbeit nicht richtig klarkommt und immer nur Mißerfolge hat. Du hast mir letzten Winter erzählt, daß dein Vater ‘ne Prüfung gemacht hätte und durchgefallen sei.“
„Jawohl“, rief Joachim, „mit Pauken und Trompeten ist er durchgerauscht, war einfach zu doof! Jetzt muß er wieder auf kleiner Flamme kochen. Mir hat er das natürlich nicht gesagt, ich hab’ das so ganz nebenbei mitgekriegt, als meine Mutter ihn deswegen veräppelte. Du glaubst nicht, wie wohl es mir getan hat, ihn so ganz fix und fertig zu erleben, ein Bild des Jammers! Am nächsten Tag hat er dann prompt wieder einen Grund gefunden, mich zu verprügeln.“
„Da
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