Zwei auf Achse
waren sie draußen, da wurde das Geschäft abgeschlossen.
„Erhebt sich nun die Frage, wo wir unser Nachtmahl einnehmen wollen“, sagte Joachim.
„Ich schlage vor, wir gehen wieder in den Englischen Garten zurück“, sagte Lutz. „Hier auf der Straße können wir uns doch nicht gut hinhocken, Brote schmieren und Gurken schälen.“
„Guter Vorschlag“, stimmte Joachim zu. „Auf geht’s!“ Bald saßen sie wieder vor ihrem Rhododendronbusch auf dem Rasen und aßen. Durch das Blattwerk konnten sie die Spaziergänger beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Ein lauer Wind flüsterte in den Blättern der Büsche und Bäume.
Sie sprachen wenig während der Mahlzeit. Beide wußten, daß noch eine Frage beantwortet werden mußte, bevor die Sonne sank, und ihnen war klar, daß die Antwort nicht leicht zu finden war.
„Guck mal, wie rot die Sonne aussieht“, sagte Lutz endlich. „Toll, was? Warum sie wohl abends immer so rot ist?“
„Weil sie sich schämt für das, was sie am Tage alles gesehen hat“, antwortete Joachim.
„Ich glaub’, sie ist gar nicht röter als sonst“, fuhr Lutz fort. „Das ist nur eine Täuschung. Sie steht ja so tief, daß sie sich durch all den Qualm und Staub von den Städten durchquälen muß, und das verändert ihre Farbe.“
„Ist ja klar“, sagte Joachim. „Jeder, der sich anstrengt, wird rot.“
Sie schwiegen wieder. Nach einer Weile sagte Lutz: „Wenn sie untergegangen ist, dauert es noch ungefähr eine halbe Stunde, dann ist es dunkel.“
Joachim schnippte einen Grashalm von seinem Apfel. „Ja“, sagte er, „das kommt wohl hin, hier bei uns jedenfalls. In Afrika soll’s noch schneller gehen. Da ist es, als ob du das Licht ausschaltest. Die Sonne ist weg, knips! ist es dunkel.“
Lutz warf einen Apfel von der rechten in die linke und von der linken in die rechte Hand. Dann sah er sich um und musterte den Rhododendronbusch.
„Hast du eine Vorstellung, wo wir heute nacht ins Bett steigen?“ fragte er. Joachim nahm ihm den Apfel aus der Hand und biß hinein.
„Ich weiß auf alle Fälle schon, wo wir nicht ins Bett steigen“, war seine Antwort. „In einer Jugendherberge zum Beispiel können wir uns nicht sehen lassen. Da verlangen sie einen Ausweis und einen Schlafsack und so weiter und machen dumme Gesichter, wenn du nur so’n Spaziergängergepäck vorzuweisen hast. Hotel fällt natürlich auch flach. Und daß wir uns nicht im Bahnhofswartesaal aufs Ohr hauen, dürfte sich wohl von selbst verstehen. Bleibt eigentlich nur ein Heuschober oder so was.“
„Heuschober in der Stadt, du bist gut!“ rief Lutz. „Hast du da etwa einen gesehen?“
„Mensch, doch nicht in der Stadt!“ sagte Joachim. „Wir müssen uns schon die Mühe machen und in die Vororte und Dörfer ‘rauspilgern. Irgendwo hört selbst die größte Stadt mal auf.“
„Das kann aber ein paar Stunden dauern“, warf Lutz ein. „Na und? Das macht doch nichts, dann ist die Nacht nicht mehr so lang.“
„Meinste nicht, daß man sich einfach so in den Busch hauen kann wie heute nachmittag?“
„Können kann man viel“, sagte Joachim, „aber das dürfte nicht sehr zu empfehlen sein. Was glaubst du denn, wie kalt es wird, wenn die Sonne weg ist! Und wir haben doch nicht mal eine Wolldecke mit.“
Die Sonne berührte die Dächer der Häuser. Ihr Gleißen ließ nach. Die Jungen konnten hineinsehen, ohne mit den Augen zu blinzeln.
„Wenn wir uns einen Heuschober suchen wollen, sollten wir das tun, bevor es völlig dunkel ist“, sagte Lutz. „Damit wir uns nicht vergucken und in einem Schweinestall landen.“
„Okay“, stimmte Joachim zu, „brechen wir also auf. Ich schlage vor, daß wir in dieser Richtung durch den Englischen Garten marschieren, so von der Straße weg, weißte, da muß der ja irgendwo in freies Feld übergehen.“
Sie packten die Reste ihres Abendbrotes ein, schulterten ihr Gepäck und machten sich auf den Weg.
In ihrem Rücken versank blutrot die Sonne.
„Dumm, daß wir keine Decke mitgenommen haben“, sagte Lutz auf einmal. „Mit einer Decke wäre jetzt alles viel leichter.“
„Jetzt ja“, sagte Joachim, „aber nicht, wenn du am helllichten Tage im Zug sitzt oder durch eine Stadt läufst. Dann fällste nämlich auf mit einer Decke. Decke, Schlafen und Ausreißen, das gehört irgendwie zusammen. Dafür entwickeln die Polizisten einen superspeziellen Blick. Wir haben doch unsern Parka. Der ist fast so gut wie ein Schlafsack. Reißverschluß
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