Zwei auf Achse
hast du’s!“ rief Lutz. „Er war mit sich unzufrieden, und du mußtest dafür büßen.“
„Nun sag bloß, daß du das richtig findest!“ empörte sich Joachim.
„Nein“, antwortete Lutz, „aber ich glaube, ich kann ihn verstehen. Ich hab’ auch immer eine Mordswut im Leib und könnte wer weiß was anstellen, wenn ich zwei-, dreimal die Woche erlebe, daß ich zu dumm bin für Mathematik. Wenn mich dann noch jemand aufzieht, könnte ich ihm glatt eins auf den Schädel knallen.“
„Aber tu tust es nicht, das ist der Witz von Onkel Fritz!“ Sie schwiegen.
Das Rauschen in den Bäumen nahm ab. Der halbe Mond stieg über die Wipfel. Sie schliefen ein.
Die Sonne ging auf, die Vögel begannen ihr Morgenkonzert. Lutz erwachte. Er öffnete die Augen, horchte, im halben Traume noch, auf das Gezwitscher in den Zweigen und begriff allmählich, wo er sich befand und wer neben ihm lag.
„Joachim“, rief er leise, „he, wach auf! Es ist schon nach fünf und taghell!“
Aber Joachim reagierte nicht. Er hatte sich die Kapuze seines Parkas übers Gesicht gezogen und schlief noch tief und fest. Lutz gähnte und schüttelte sich. Ihn fror in der Morgenkühle. Schwerfällig stand er auf und blickte über die Baumwipfel in das flirrende Licht der Sonne. Plötzlich mußte er niesen. Davon erwachte Joachim. Erschrocken fuhr er in die Höhe und sah sich um „Was ist los?“ rief er. „Warum hast du mich geweckt?“
„Ich hab nur geniest“, antwortete Lutz. „Aber wenn du nun schon wach bist, schlag’ ich vor, du bleibst es auch. Es ist längst hell, und darum sollten wir schnellstens unser Nachtquartier verlassen. Wenn jemand merkt, daß wir hier oben geschlafen haben, könnte er uns vielleicht die Polizei auf den Hals schicken.“
„Was du nur immer mit der Polizei hast!“ knurrte Joachim. „Die hat keine Zeit für uns, die muß sich um ganz andere Leute kümmern. Was meinst du denn, was hier in München los ist! Da wird doch jeden Tag irgendwo ‘ne Bank geknackt und einer ermordet. Und daß ein paar Leute als Geisel genommen werden, ist klar wie dicke Tinte! Also verjage die Polizei aus deinen Träumen, die kann sich beim besten Willen nicht um uns kümmern!“ Er stand auf. „Darum immer mit der Ruhe und kühlem Verstand! Wir ziehen uns jetzt die doppelten Unterhosen vom Leib und erkundigen uns dann auf dem Hauptbahnhof ganz unverbindlich, mit welchem Zug wir deinem nächsten Vater einen Besuch abstatten können.“
„Ich würde mich aber gern vorher waschen“, sagte Lutz. „Das versteht sich am Rande“, antwortete Joachim, „ich fühl’ mich auch nicht gerade, als sei ich soeben aus der Badewanne gehüpft. Komm, wir brechen unsere Zelte ab und steigen in den Bach, den wir gestern gesehen haben! Der muß ganz in der Nähe sein.“
Sie packten ihre Sachen zusammen, kletterten vom Turm herunter und suchten eine Waschgelegenheit. An einer Stelle, wo der Bach fast klar war, machten sie ihre Morgenwäsche. Frisch und sauber saßen sie dann unter einer Buche und bereiteten ihr Frühstück.
„So ‘n Wanderbursche“, sagte Joachim schmatzend, „so ‘n Landstreicher oder Vagabund, hat doch ein herrliches Leben! Das wäre direkt ein Beruf für mich. Du kommst weit ‘rum, lernst Land und Leute kennen, siehst was von der Welt und brauchst nicht zu arbeiten. Mal schläfste in einer Scheune und mal einfach so im Freien. Und du hast keine andere Sorge als die, dich darum zu kümmern, wie du was zu essen kriegst.“
„Du bist gut!“ rief Lutz. „Wenn du nicht arbeitest, kriegste kein Geld, und wenn du kein Geld hast, kriegste auch nichts zu essen! Dann mußte doch klauen, Mensch!“
„Ach, was!“ wehrte Joachim ab. „Du gehst einfach von Haus zu Haus und fragst die Leute, ob sie dir nicht ‘n bißchen was von dem abgeben, was sie sowieso in den Mülleimer kippen würden. Du hast ja keine Ahnung, was da alles weggeschmissen wird! Wenn du den Leuten das ab nimmst, sind sie richtig dankbar dafür und bilden sich ein, wunder was für’n gutes Werk getan zu haben. Glaube mir, mit ‘nem bißchen Fingerspitzengefühl für günstige Gelegenheiten und einem Blick für Menschen kannst du als Landstreicher dick und fett werden, ohne einen Finger krumm zu machen.“
Lutz legte sich die letzte Scheibe Jagdwurst aufs Brot und schüttelte den Kopf.
„Nee“, sagte er, „das ist kein Job für mich! Ich such’ mir ‘ne anständige Arbeit, für die ich auch anständig bezahlt werde. Dann brauch’
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