Zwei auf Achse
kein Blech!“ sagte Joachim. „Zugegeben, wir haben den Falschen erwischt. Aber das ist doch nicht unsere Schuld! Auf alle Fälle können wir uns jetzt noch einen oder zwei Tage über Wasser halten, ohne zu verhungern. Der alte Knabe kriegt ja bald wieder seine Rente, der wird es schon überleben. Nun krieg nur keinen Moralischen, du! Komm, wir kaufen uns eine Kleinigkeit zu essen und suchen uns dann ein Nachtquartier.“ Er legte Lutz die Hand auf die Schulter und zog ihn mit sich fort.
Lutz antwortete nichts.
Er blickte sich immer wieder verstohlen nach dem Mann um, der ihnen sein letztes Geld gegeben und ihretwegen auch noch Schulden gemacht hatte. Ausgerechnet ihn, einen der Ärmsten der Armen hatten sie betrogen! Hatten sie bestohlen!
Nein! dachte Lutz. Nein und nochmals nein! Das war das erste und letzte Mal! Lieber wollte er verhungern, als sich auf diese Art Geld zu beschaffen. Joachim schien das alles gar nichts auszumachen, der hatte anscheinend ein Gemüt wie ein Schlachterhund. Sicherlich deshalb, weil er zu Hause so hart und lieblos behandelt wurde. Da muß man ja abstumpfen gegen das Leid anderer Menschen.
Er schielte ihn von der Seite an. Wie anders ist er doch als ich, dachte er. Ein richtiger harter Kerl, der vor nichts zurückschreckt und keine Angst kennt. Als Lutz sich jedoch fragte, ob er wohl ebenso sein möchte, schüttelte er innerlich den Kopf. Nein, dachte er, denn nach diesem Erlebnis mit dem alten Mann war er sicher, daß Joachim auch noch Schlimmeres lächelnd ertragen würde. Das aber war ihm, Lutz, unmöglich.
Joachim schwang die Lufthansatasche über seinem Kopf wie ein Lasso, warf sie hoch, fing sie wieder auf und war bester Laune.
„Ich wußte, daß wir mit der Masche zu Geld kommen würden“, sagte er, „die ist einfach todsicher. Dir ist doch hoffentlich klar, daß wir sie noch ein paarmal verstricken müssen?“
„Aber ohne mich!“ rief Lutz. „Das mache ich nicht wieder. Lieber esse ich weniger und hungere meinetwegen auch mal einen Tag, als daß ich mir noch mal auf eine so gemeine Art Geld beschaffe!“
„Warte es ab“, sagte Joachim, „wenn du erst ein paar Stunden keinen Bissen zwischen den Zähnen gehabt hast, denkst du anders über die Sache. Aber lassen wir die Dinge doch ruhig an uns herankommen. Fürs erste haben wir ja Geld. Wenn wir jetzt ein wenig sinnvoller einkaufen, können wir uns eine Zeitlang sattessen.“
„Wo wollen wir überhaupt die zwei Tage bleiben?“ fragte Lutz.
Joachim hängte seine Tasche wieder über die Schulter. „Um die Tage brauchst du dir keine Gedanken zu machen“, sagte er, „aber um die Nächte! Bis Sonnabend müssen wir nämlich zweimal schlafen.“
„Och“, antwortete Lutz, „hier gibt es doch bestimmt auch irgendwo so einen Park wie in München, wo man in die Büsche kriechen kann.“
Joachim schüttelte den Kopf.
„Nee“, rief er, „für zwei Nächte ist das nichts, da muß was Solides her. Ich schlage vor, wir fahren ein Stück ‘raus aus der Stadt, so ‘n paar Kilometer in den Bayerischen Wald hinein, der hier ja irgendwo beginnen muß, bauen uns da ‘ne schicke Höhle und leben ‘ne Zeitlang wie Robinson. Das hab’ ich sowieso schon seit Jahren auf dem Programm.“
„Fahren können wir nicht“, sagte Lutz, „wir müssen unser Geld zusammenhalten.“
Joachim winkte ab.
„Wir fahren natürlich wieder Erster Klasse Klo“, sagte er. „Da kostet es kein Geld, da stört dich höchstens der Gestank der feinen Leute.“
Lutz machte ein bedenkliches Gesicht.
„Das geht auch nur so lange gut, wie es gut geht! Wenn sie uns schnappen, sind wir geliefert.“
„Ach was“, schwächte Joachim ab, „die schnappen uns nicht, und wenn, dann wird uns auch schon einfallen, wie wir uns aus der Affäre ziehen können. Komm, wir decken uns jetzt mit Lebensmitteln ein, damit wir morgen den ganzen Tag im Wald bleiben können und unsere Höhle gar nicht verlassen müssen.“
In einem Supermarkt kauften sie zwei Brote, einen Becher Margarine, ein Glas Erdbeer- und ein Glas Kirschmarmelade und vier große Flaschen Sprudel. Und dann machten sie sich auf den Weg zum Bahnhof. Dabei kamen sie an einer Baustelle vorbei. Ein sehr hoher Kran hievte abwechselnd große Ladungen Steine und Riesenkübel mit Mörtel zu den Arbeitern nach oben auf die Gerüste. Sie blieben stehen und sahen eine Weile zu. Als sie, um ihre Neugier vollends zu befriedigen, um den Bretterzaun, der das Baugelände begrenzte, herumgingen,
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