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Zwei auf Achse

Zwei auf Achse

Titel: Zwei auf Achse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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sucht ihr hier?“
    „Wir haben schon überall gesucht!“ rief Joachim. „Die ganze Straße lang und bei der Ampel natürlich auch. Bestimmt hat längst jemand den Schein gefunden und mitgenommen.“
    „Hm“, sagte der Mann. „Wenn er auf dem Fußweg gelegen hat, ja. Aber es ist doch windig, da bleibt so ein Papierfetzen nicht still liegen! Der weht davon, versteht ihr? Hui, ist er weg!“ Er sah sich um. „Der Wind kommt von da, also muß euer Zwanzigmarkschein gegen die Häuser geweht sein. Möglicherweise klebt er an einer Haustür oder an einem Kellerfenster. Habt ihr da schon mal nachgesehen?“
    „Klar!“ rief Joachim. „Was denken Sie denn! Wenn der Schein wirklich irgendwo hingeweht sein würde, hätten wir ihn längst gehabt. Wir wissen doch, was für meinen Freund auf dem Spiel steht.“
    „Tja“, sagte der Mann. „Dann bleibt euch nur die Hoffnung, daß er von einem ehrlichen Menschen gefunden und auf dem Fundamt abgegeben wurde. Da solltet ihr in zwei, drei Tagen mal nachfragen.“ Er zuckte bedauernd die Achseln, wandte sich um und ging davon. „Klugscheißer!“ murrte Joachim. „Die Weisheit hättest du ruhig für dich behalten können! Hier den dicken Kinderfreund markieren, Mensch, und keinen Pfennig ‘rausrücken! Solche Leute wie dich sollte man ungespitzt in den Boden hauen.“
    „Wollen wir nicht aufhören mit dem Unsinn?“ fragte Lutz. „Die Masche scheint doch nicht zu ziehen.“
    Joachim angelte ein Taschentuch aus der Tasche und putzte sich gründlich die Nase.
    „Nur nicht gleich aufgeben“, sagte er. „Ohne Fleiß kein Preis! Einen Versuch starten wir noch. Guck, dahinten kommt eine elegante Dame mit einem Köter angewackelt, die knöpfen wir uns noch mal vor.“
    Sie beobachteten die Dame unauffällig und begannen ihr Spiel aufs neue, als sie in Rufweite war.
    „Hör endlich auf mit dem Geheule!“ rief Joachim. „Ich kann’s schon nicht mehr hören! Wenn dein Alter dich wieder zusammenschlagen will, hauste ab und rufst die Polizei an.“
    „Er schlägt mich tot!“ wimmerte Lutz. „Wenn er wütend wird, ist ihm alles egal!“ Und er schluchzte zum Steinerweichen.
    „Wer schlägt dich tot?“ fragte die Dame, indem sie auf Lutz zutrat.
    „Mein Vater“, wimmerte der. „Ich soll Zigaretten holen für ihn und hab’ 20 Mark verloren.“
    Die Dame sah ihm in das verschmutzte Gesicht.
    „Sagst du auch die Wahrheit?“ fragte sie.
    „Natürlich!“ rief Joachim. „Ich kann es bezeugen! Ich wollte ja mitgehen in den Zigarettenladen. Wir haben miteinander geredet, und auf einmal war das Geld weg.“
    „Ich meine, ob du die Wahrheit sagst mit dem Prügeln“, erklärte die Dame.
    Lutz nickte.
    „Ja“, stammelte er. „Mein Vater schlägt mich immer, wegen jeder Kleinigkeit.“
    Die Dame nickte.
    „Womit schlägt er dich?“ fragte sie. „Hat er einen Stock, oder womit macht er das?“
    „Er nimmt eine Peitsche!“ rief Joachim. „Mit ganz langen Riemen! Wenn Sie sehen, wie der zuschlägt, bleibt Ihnen das Herz stehen. Sein Vater ist der brutalste Mensch, den ich kenne.“
    Weil Joachim bei diesen heftig hervorgestoßenen Worten an seinen eigenen Vater dachte, klang alles, was er sagte, überzeugend echt. Die Dame zog ihren Dackel zu sich heran, der soeben mit einem großen Schäferhund anbandeln wollte, und sagte: „Ich werde deinem Vater mal einen Besuch machen, ich bin nämlich Sozialhelferin und für solche Dinge zuständig. Wenn er dich wirklich so schlimm prügelt, wie ihr mir das beschreibt, müssen wir gegen ihn einschreiten. Gib mir mal deinen Namen und deine Adresse an!“
    „Nein, nein!“ stotterte Lutz. „Nur das nicht! Der bringt mich um!“
    „Keine Angst, mein Junge, dazu lassen wir es schon nicht kommen. Also, wo wohnst du?“
    „Wir sind beide aus Bremerhaven“, rief Joachim schnell, als er den verzweifelten Blick auffing, den Lutz ihm zuwarf. „Wir sind nur auf Besuch hier. Unsere Eltern sind befreundet und machen Urlaub bei Verwandten.“
    „Ach, darum sprecht ihr also so ein reines Hochdeutsch“, sagte die Dame. „Ich hab’ mich schon darüber gewundert. Nun, so nennt mir die Adresse von euren Verwandten.“ Lutz schüttelte den Kopf.
    „Nein“, sagte er bestimmt, „ich bin doch kein Selbstmörder!“
    Die Dame nickte.
    „Es ist immer dasselbe“, sagte sie fast flüsternd. „Aus lauter Angst will sich keiner helfen lassen.“ Und wieder laut: „Deine Bremerhavener Adresse willst du mir auch nicht angeben?“
    Erneutes

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