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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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dass ich schließlich aufstand, um meinen Mantel zu holen. Doch genau in dem Moment kam Bessy mit einer zweiten Tasse Tee ins Zimmer. «Was machen Sie da, Miss Elizabeth? Sie haben doch nicht etwa vor, in die Kälte hinauszugehen?»
    «Ich …» Als ich in Bessys breites, vorwurfsvolles Gesicht mit den roten Backen schaute, war mir klar, dass ich ihr nicht verraten konnte, was ich vorhatte. Sie war eindeutig froh darüber, dass die Freundschaft zwischen mir und Mary eingeschlafen war, und hätte mich mit Einwänden gegen einen Besuch am Cockmoile Square überschüttet. An diesem Tag fehlte mir die Energie, mich gegen sie durchzusetzen. Auch Louise und Margaret hätte ich mein Vorhaben kaum erklären können. Anfangs hatten sie mich ermutigt, mich mit Mary zu versöhnen, aber nachdem ich keine Anstalten in dieser Hinsicht unternahm, ließen sie das Thema fallen und erwähnten sie nicht mehr.
    «Ich wollte nur zur Tür gehen und nachsehen, ob Post gekommen ist», sagte ich. «Aber jetzt ist mir plötzlich ein wenig schwindelig. Ich glaube, ich lege mich ins Bett.»
    «Tun Sie das, Miss Elizabeth. Genau da gehören Sie auch hin.»
    Es war eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen Bessys Vorsicht vernünftig klang.
    Zwei Tage später traf William Buckland ein. Margaret und Louise waren ausgegangen, um Weihnachtskörbe an verschiedene verdienstvolle Personen zu verteilen, aber da ich immer noch kränkelte, durfte ich zu Hause bleiben. Louise hatte mir im Gehen einen neidischen Blick zugeworfen, denn für sie waren diese Besuche genauso eine Qual wie für mich. Nur Margaret genoss solche gesellschaftlichen Pflichten.
    Meine Augen schienen mir kurz zugefallen zu sein, denn plötzlich trat Bessy ins Zimmer und kündigte einen Gentleman an, der mich besuchen wollte. Ich setzte mich auf, rieb mir mit den Fäusten durchs Gesicht und strich mir die Haare glatt.
    Da platzte schon William Buckland ins Zimmer. «Miss Philpot, bleiben Sie sitzen!», rief er. «Sie scheinen es so gemütlich dort am Feuer zu haben. Ich wollte Sie nicht stören, ich kann wiederkommen.» Sein Blick legte jedoch eher nahe, dass er zu bleiben gedachte. Ich erhob mich und reichte ihm die Hand. «Mr Buckland, wie schön, dass Sie vorbeikommen. Wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen.» Ich deutete auf den Sessel mir gegenüber. «Bitte setzen Sie sich und erzählen Sie mir alle Neuigkeiten. Bessy, bitte bring einen Tee für Mr Buckland. Sind Sie gerade erst aus Oxford eingetroffen?»
    «Vor ein paar Stunden.» William Buckland nahm Platz. «Zum Glück ist das Semester gerade vorbei, so dass ich mich fast unmittelbar nach Eingang von Marys Brief auf den Weg machen konnte.» Er sprang schon wieder auf, denn er hielt es nie lange auf einem Stuhl aus, und lief unruhig im Zimmer auf und ab. Da sein Haaransatz allmählich zurückwich, wirkte seine Stirn noch höher, und jetzt glänzte sie im Feuerschein. «Ist es nicht fantastisch? Mary sei gesegnet für diesen überaus spektakulären Fund! Jetzt haben wir den unumstößlichen Beweis für die Existenz einer weiteren Kreatur, ohne dass wir wie bislang nur über ihre Anatomie spekulieren können. Wie viele andere Lebewesen aus alter Zeit wir wohl noch finden werden?» Mr Buckland nahm einen Seeigel vom Kaminsims in die Hand. «Was sagen Sie? Ist es nicht wunderbar?»
    «Ich habe den Fund nicht gesehen», gab ich zu. «Ich habe nur darüber gelesen, auch wenn in dem Zeitungsbericht nicht viel stand.»
    Mr Buckland blickte mich entgeistert an. «Was? Sie haben es sich nicht angeschaut? Aber warum denn nicht? Ich bin wie der Blitz aus Oxford hergekommen, und Sie müssen doch nur den Hügel hinabgehen. Wollen Sie jetzt mitkommen? Ich gehe wieder hin und kann sie begleiten.» Er legte den Seeigel wieder weg und hielt mir seinen Arm hin, damit ich mich einhängte.
    Ich seufzte. Es war unmöglich gewesen, Mr Buckland klarzumachen, dass Mary und ich nichts mehr miteinander zu tun hatten. Obwohl ich ihn als Freund betrachtete, gehörte er nicht zu den Männern, die sich für die Gefühle anderer interessierten. Gefühle zählten für Mr Buckland nicht, ihm ging es einzig und allein um Wissen. Obwohl er fast vierzig Jahre alt war, machte er noch immer keine Anstalten zu heiraten, was niemanden überraschte. Welche Frau hätte schon sein sprunghaftes Wesen und das so spezielle Interesse an toter statt lebender Materie ausgehalten?
    «Ich befürchte, ich kann nicht mitkommen, Mr Buckland», sagte ich. «Ich leide an

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