Zwei bemerkenswerte Frauen
den Annings gelungen, ihre Schulden aus dem Erbe Richard Annings zu tilgen. Mary und Molly trugen jetzt neue Kleider. Sie konnten sich wieder ordentliche Möbel kaufen und Kohle zum Heizen. Molly Anning nahm keine Wäsche mehr an, sondern kümmerte sich ausschließlich um den Fossilienladen, der bald florierte. Ich hätte mich für die Familie freuen sollen, doch stattdessen war ich neidisch.
Eine Weile lang erwog ich sogar, Lyme zu verlassen und bei meiner Schwester Frances und ihrer Familie zu leben, die vor kurzem nach Brighton gezogen waren. Als ich dies möglichst beiläufig Margaret und Louise gegenüber erwähnte, reagierten beide mit Entsetzen. «Was fällt dir ein, uns verlassen zu wollen?», rief Margaret, während Louise ganz blass und still geworden war. Selbst Bessy, die unser Gespräch mitbekommen hatte, schniefte in ihren Kuchenteig, so dass ich ihnen allen versichern musste, dass der Morley Cottage für immer mein Zuhause bleiben würde.
Es dauerte lange, aber schließlich gewöhnte ich mich an ein Leben ohne Marys Gesellschaft und Freundschaft. Niemals hätte ich gedacht, dass man sich in einer Kleinstadt wie Lyme so gut aus dem Weg gehen konnte, es kam mir fast vor, als lebte sie irgendwo in Charmouth, Seatown oder Eype. Allerdings war Mary so mit den vielen neuen Fossiliensuchern beschäftigt, dass ich sie selbst dann kaum zu Gesicht bekommen hätte, wenn ich es gewollt hätte. Ich gewöhnte mich an ihre Abwesenheit, aber es blieb ein dumpfer Schmerz in meinem Herzen zurück. Es war wie eine Wunde, die eigentlich verheilt war, sich aber bei feuchtem Wetter neu entzündete.
Einmal war es mir nicht gelungen, ihr früh genug aus dem Weg zu gehen. Ich war mit meinen Schwestern auf der Strandpromenade unterwegs, als uns Mary, der ein kleiner schwarzweißer Hund folgte, aus der anderen Richtung entgegenkam. Mary fuhr erschreckt zusammen, als sie uns erblickte, schien sich aber deswegen nicht vom Weg abbringen lassen zu wollen. Sie hielt weiter auf uns zu, und wir waren beide bemüht, uns nicht in die Augen zu sehen.
«Was für ein süßer kleiner Hund!», rief Margaret und kniete nieder, um ihn zu streicheln. «Wie heißt er?»
«Tray.»
«Woher hast du ihn?»
«Ein Bekannter hat ihn mir geschenkt, damit er mir am Strand Gesellschaft leistet.» Mary war rot geworden, was uns verriet, um wen es sich bei diesem Bekannten handelte. «Wenn er jemanden mag, lässt er sich streicheln, wenn nicht, fängt er an zu knurren.»
Tray schnüffelte erst an Louises Kleid und dann an meinem. Ich erstarrte, weil ich damit rechnete, dass er zu knurren anfing, aber er schaute nur hechelnd zu mir hoch. Bisher war ich immer davon ausgegangen, dass Haustiere einen Menschen, den ihr Besitzer nicht mag, ebenfalls nicht mögen.
Doch bis auf diese Begegnung gelang es mir, Mary aus dem Weg zu gehen, auch wenn ich sie manchmal aus der Ferne mit Tray im Schlepptau am Strand oder in der Stadt sah.
Es gab einen Moment, in dem ich kurz versucht war, unsere Freundschaft neu zu beleben. Einige Monate nach unserem Streit hörte ich, dass Mary einen größeren unzusammenhängenden Knochenhaufen entdeckt hatte, den sie, obwohl bei dem Fund der Schädel fehlte, nach eigenem Ermessen zusammensetzte. Ich hätte das Fossil gerne gesehen, doch die Annings hatten es an Colonel Birch verkauft und ihm geschickt, bevor ich den Mut aufbrachte, zum Cockmoile Square zu gehen. So konnte ich nur die Artikel lesen, die Henry De La Beche und Reverend Conybeare über den Fund veröffentlichten und in denen sie die zusammengesetzte Kreatur als «echsenartigen» Plesiosaurier bezeichneten. Das Tier hatte einen sehr langen Hals und riesige Paddelknochen. William Buckland verglich es mit einer Schlange, die sich durch den Panzer einer Schildkröte gewunden hatte.
Wie ich an diesem Tag, an dem ich erkältet vorm Kamin saß, in der Zeitung las, hatte Mary jetzt ein weiteres Exemplar gefunden. Erneut spürte ich das Verlangen, zum Cockmoile Square zu gehen. Nach Lektüre der kurzen Meldung gingen mir viele Fragen im Kopf um, die ich Mary gerne gestellt hätte. Was hatte sie zuerst gefunden? Wie groß war das Fossil, und in welchem Zustand hatte es sich befunden? War es vollständig? War diesmal ein Schädel dabei? Warum war sie die ganze Nacht draußen geblieben, um daran zu arbeiten? An wen wollten sie diesmal verkaufen: an das Britische Museum, an die Museen in Bristol oder wieder an Colonel Birch?
Mein Wunsch, den neuen Fund zu sehen, war so groß,
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