Zwei bemerkenswerte Frauen
Ichie, der schon vor langer, langer Zeit gestorben war und darauf gewartet hatte, dass ich ihn fand. Diese beiden Bänder waren so lang, dass ich erst gar nicht versuchen musste, sie zu messen, aber dort, wo sie zusammentrafen, war ich. Mein Leben hatte zu diesem Moment hingeführt und dann wieder von ihm weg, genau wie die Flut an ihren höchsten Punkt am Strand schlägt, dort ihre Markierung hinterlässt und sich wieder zurückzieht.
«Alles ist so groß und so alt und so weit weg», sagte ich. Ich war so überwältigt, dass ich mich aufsetzen musste. «Gott steh mir bei, es macht mir Angst.»
Colonel Birch legte eine Hand auf meinen Kopf und streichelte mir übers Haar, das vom Liegen auf dem Boden ganz verfilzt war. «Du musst keine Angst haben, denn ich bin ja bei dir.»
«Aber nur jetzt», sagte ich, «nur in diesem Moment, und dann bin ich wieder ganz allein auf der Welt. Es ist schwer, wenn man niemanden hat, an dem man sich festhalten kann.»
Darauf fiel ihm keine Antwort ein. Ich wusste, dass er nie etwas dazu sagen würde. Ich legte mich wieder hin und blickte in die Sterne, bis ich meine Augen schließen musste.
VIII
Das Abenteuer eines an Abenteuern
armen Lebens
N ur selten kann mich das, was in unserer Zeitung Western Flying Post steht, überraschen. Es sind immer die gleichen Themen: die Beschreibung einer Viehauktion in Bridport, der Bericht über eine öffentliche Versammlung, auf der über die Verbreiterung einer Straße in Weymouth debattiert wurde, oder Warnungen vor den Taschendieben auf dem Jahrmarkt in Frome. Selbst Artikel über ungewöhnlichere Ereignisse, die gravierende Einschnitte im Leben der beteiligten Menschen bedeuten – zum Beispiel über den Mann, der für den Diebstahl einer silbernen Uhr zum Tode verurteilt wurde, oder das Feuer, das ein halbes Dorf vernichtete – , lese ich mit einer gewissen Distanziertheit, denn sie haben nichts mit mir und meinem Leben zu tun. Hätte der Mann meine Uhr gestohlen oder wäre halb Lyme den Flammen zum Opfer gefallen, sähe das natürlich anders aus. Doch trotzdem lese ich pflichtbewusst die Zeitung, denn sie gibt mir immerhin das Gefühl, in einer größeren Region zu leben und nicht nur in dieser Stadt festzusitzen, die nicht über ihren Tellerrand hinausschaut.
Als ich mich an einem Nachmittag Mitte Dezember vor dem Kamin ausruhte, brachte mir Bessy die Zeitung. Ich war nicht oft krank, und weil mich meine Schwäche ärgerte, war ich so mürrisch wie sonst nur Bessy. Als sie die Zeitung zusammen mit einer Tasse Tee auf einem kleinen Tisch neben mir deponierte, seufzte ich, aber wenigstens war es eine Ablenkung. Meine Schwestern waren in der Küche beschäftigt, um eine größere Portion von Margarets Heilsalbe herzustellen, die sie zusammen mit eingemachtem Hagebuttengelee in die Weihnachtskörbe packen wollten. Ich hatte für jeden Korb einen Ammoniten beisteuern wollen, aber Margaret meinte, dass passe nicht zur Festtagsstimmung, und bestand stattdessen auf hübschen Muscheln. Zuweilen vergaß ich, dass die Leute in den Fossilien die Knochen toter Lebewesen sahen, was sie genaugenommen ja auch waren. Bloß ich selbst betrachtete sie eher als Kunstwerke, die von einer vergangenen Welt künden.
Ich achtete kaum darauf, was ich las, bis ich zu einer kurzen Meldung kam, die zwischen zwei lange Berichte über Feuerkatastrophen – einmal war eine Scheune abgebrannt, das andere Mal eine Konditorei –, gequetscht war. Sie lautete folgendermaßen:
Am Mittwochabend fand die bekannte Fossilienjägerin Mary Anning, die mit ihren Funden das Britische Museum, die Museen in Bristol und auch die Privatsammlungen vieler Geologen bereichert hat, direkt unter dem berühmten Black Ven im Osten der Stadt die Überreste einer Kreatur. Sie wurden noch in derselben Nacht und dem darauf folgenden Morgen geborgen und dann gründlich untersucht. Wie sich herausstellte, lässt sich dieser Fund in keiner Weise mit den anderen großen Fossilien vergleichen, die bislang in Lyme entdeckt wurden, etwa dem Ichthyosaurier oder Plesiosaurier. Von der Anatomie her ähnelt die Kreatur eher einer Schildkröte. Da der Fund jedoch gerade erst geborgen wurde, konnte das komplette Skelett noch nicht befriedigend untersucht werden.
Bedeutende Geologen werden beschließen, unter welchem Namen diese Kreatur zu führen ist. Sobald die Knochen völlig freigelegt sind, soll der große Cuvier informiert werden, die Namensgebung wird jedoch nach Erscheinen eines genauen
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