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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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nichts, sondern blickte mich so fest aus ihren grauen Augen an, dass ich den Blick senkte.
    Ein paar Tage später beschloss ich, im Morley Cottage vorbeizuschauen, um mich bei Miss Margaret dafür zu entschuldigen, dass ich ihnen die Schwester weggenommen hatte. Ich hatte eine Kiste voller Fischfossilien dabei, die ich für Miss Elizabeth aufbewahrt hatte. Sie sollten mein Geschenk für sie sein, wenn sie aus London zurückkam. Aber das würde sicher noch eine Weile dauern, denn wahrscheinlich blieb sie gleich bis zu ihrem Frühjahrsbesuch dort. Trotzdem war es eine schöne Vorstellung, dass die Fische sie bei ihrer Rückkehr im Morley Cottage erwarten würden.
    Ich schleppte die Kiste durch die Coombe Street und die Sherborne Street und dann die ganze Silver Street hinauf. Sie war so schwer, dass ich mich für meine Großzügigkeit verfluchte. Doch als ich zum Morley Cottage kam, fand ich das Haus verschlossen und verriegelt vor. Die Türen waren zugesperrt, die Fensterläden verrammelt und aus dem Schornstein stieg kein Rauch. Ich klopfte lange an die Haustür und dann an die Hintertür, aber niemand öffnete. Als ich von hinten wieder vors Haus kam und versuchte, durch eine Ritze im Fensterladen hineinzuspähen, trat eine Nachbarin aus ihrem Haus. «Du brauchst gar nicht schauen», sagte sie. «Sie sind nicht da. Gestern sind sie nach London abgereist.»
    «Nach London! Warum?»
    «Es war kurzfristig. Sie haben die Nachricht erhalten, dass Miss Elizabeth krank ist, und haben alles stehen und liegen gelassen.»
    «O nein!» Ich ballte die Fäuste und lehnte mich gegen die Tür. Es hatte den Anschein, dass ich jedes Mal, wenn ich etwas fand oder bekam, etwas anderes dafür verlor.
    Ich hatte den Ichthyosaurier gefunden und Fanny verloren. Ich hatte Colonel Birch gefunden und Miss Elizabeth verloren. Ich war berühmt geworden und hatte Colonel Birch verloren. Und jetzt, wo ich dachte, ich hätte Miss Elizabeth wiedergefunden, würde ich sie vielleicht für immer verlieren.
    Aber so einfach wollte ich das nicht hinnehmen. Schließlich hatte ich mein Leben lang die Knochen von Lebewesen gefunden, die verloren zu sein schienen. Sicher würde ich auch Miss Elizabeth wiederfinden.
    Ich nahm die Kiste mit den Fischfossilien nicht wieder mit heim zum Cockmoile Square, sondern ließ sie hinten in Miss Louises Garten neben dem Riesenammoniten stehen, den ich einmal zusammen mit Miss Elizabeth vom Monmouth Strand hergetragen hatte. Ich glaubte fest daran, dass sie eines Tages durch diese Kiste wühlen und sich die besten Stücke für ihre Sammlung aussuchen würde.
    Am liebsten hätte ich die nächste Kutsche nach London genommen, doch Mam erlaubte es nicht. «Sei nicht albern», meinte sie. «Wie könntest du den Philpots denn helfen? Sie müssten nur noch Zeit opfern, um sich um dich zu kümmern statt um ihre Schwester.»
    «Ich will zu ihr und mich entschuldigen.»
    Mam blickte mich vorwurfsvoll an. «Du führst dich auf, als wolltest du noch schnell deinen Frieden mit ihr machen, bevor sie stirbt. Meinst du, es hilft ihr beim Gesundwerden, wenn du mit langem Gesicht an ihrem Bett sitzt und um Entschuldigung bittest? Da stirbt sie eher noch schneller.»
    So hatte ich es noch nicht gesehen. Es war ein wenig direkt, aber vernünftig, typisch Mam eben.
    Also fuhr ich nicht. Allerdings schwor ich mir, eines Tages nach London zu reisen, nur um mir zu beweisen, dass ich es konnte. Weil ein Brief von ihr für die Familie weniger ärgerlich sein würde, schrieb Mam statt meiner an die Philpots, um sich nach Miss Elizabeth zu erkundigen. Ich wollte, dass sie auch nach Cuviers Vorwürfen und der Tagung der Geologischen Gesellschaft fragte, aber Mam weigerte sich, das zu schreiben. Sie fand es unverschämt, dass ich in solchen Zeiten an mich dachte, außerdem würde es die Philpots nur daran erinnern, warum Miss Elizabeth nach London gefahren war, und das würde sie gleich wieder wütend machen.
    Zwei Wochen später erhielten wir einen kurzen Brief von Miss Louise, in dem stand, Miss Elizabeth habe das Schlimmste hinter sich. Aber sie sei noch immer geschwächt von ihrer Lungenentzündung, und die Ärzte hätten gesagt, dass sie wegen der feuchten Seeluft nicht nach Lyme zurückkommen könne.
    «Unsinn», schnaubte Mam. «Wofür reisen wohl all die Feriengäste her, wenn die Seeluft und das Wasser nicht gut für ihre Gesundheit wäre? Sie wird schon zurückkommen. Man kann Miss Elizabeth nicht von Lyme fernhalten.» Nachdem Mam die

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