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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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ich schrieb unserem Bruder einen Brief, um ihm von den Ereignissen des Vortags zu berichten. Margaret schrie leise auf, nickte Lord Henley kurz zu und entschuldigte sich, um dann nach oben in ihr Zimmer zu hasten. Obwohl sie den Henleys oft im Gottesdienst in Sankt Michael begegnete, hatte sie nicht damit gerechnet, dass einer von ihnen eines Tages in den sicheren Bereich ihres Hauses eindringen könnte, in dem sie nicht ständig das tapfere und unbekümmerte Gesicht aufsetzen musste, das sie in der Öffentlichkeit zur Schau trug.
    So überrascht, wie Lord Henley auf Margarets abruptes Verschwinden reagierte, war er eindeutig nicht darüber informiert, was zwischen ihr und seinem Freund James Foot vorgefallen war. Und wenn doch, ging er vielleicht davon aus, dass Margaret inzwischen über die Sache hinweggekommen sei, denn schließlich lag die ganze Geschichte bereits ein paar Jahre zurück. Möglich war auch, dass er die Angelegenheit längst vergessen hatte, er gehörte gewiss nicht zu den Männern, die sich viel Gedanken über Frauengeschichten machten.
    Aber Margaret hatte nichts vergessen. Eine sitzen gelassene Frau vergisst niemals.
    Genauso wenig schien Lord Henley aufgefallen zu sein, dass wir den Einladungen nach Colway Manor nicht mehr folgten, anderenfalls hätte er kaum einen Fuß in den Morley Cottage gesetzt. Mit besonders viel Fantasie war dieser Mann nicht gesegnet, weshalb er die Welt aus keiner anderen Perspektive als seiner eigenen betrachtete. Sein vorgebliches Interesse an Fossilien nahm man ihm deshalb nicht so recht ab, denn um deren Wert richtig ermessen zu können, bedurfte es einer Vorstellungskraft, die seine Möglichkeiten bei Weitem überstieg.
    «Bitte entschuldigen Sie meine Schwester, Sir», sagte ich. «Kurz bevor Sie eintraten, hatte sie über ihren Husten geklagt. Sie möchte nicht, dass sich ein Besucher bei ihr ansteckt.»
    Lord Henley nickte, sichtbar um Geduld bemüht. Er besuchte uns eindeutig nicht, um sich nach Margarets Wohlergehen zu erkundigen. Auf mein Beharren hin nahm er in einem Sessel vor dem Kamin Platz, rutschte aber auf dessen Kante umher, als wolle er jeden Moment wieder aufspringen. «Miss Philpot», hob er an, «ich habe gehört, dass Sie gestern am Strand etwas Außergewöhnliches entdeckt haben. Ein Krokodil, nicht wahr? Ich würde es mir sehr gerne einmal ansehen.» Er blickte sich um, als rechne er damit, dass es im Zimmer ausgestellt sei.
    Mich überraschte nicht, dass er bereits vom Fund der Annings wusste. Zwar war es unter Lord Henleys Niveau, sich in die Gerüchteküche von Lyme hinabzubegeben, doch da er Land besaß, das an die Klippen grenzte, beschäftigte er oft Steinbrucharbeiter, die dort Baumaterial gewannen. Diesen Arbeitern verdankte er sogar seine besten Fossilien, denn weil sie mit zusätzlichem Lohn rechnen konnten, legten sie alles Verdächtige beiseite, das sie im Steinbruch fanden. Vermutlich hatten die Days Lord Henley erzählt, was sie für die Annings ausgegraben hatten.
    «Ihre Informationen sind fast korrekt, Lord Henley», erwiderte ich. «Gefunden hat das Krokodil allerdings die kleine Mary Anning, ich selbst habe nur die Ausgrabungsarbeiten beaufsichtigt. Der Schädel befindet sich im Haus der Annings am Cockmoile Square.» Joseph hatte ich bereits aus der Geschichte gestrichen, was in den nächsten Generationen so bleiben sollte. Vielleicht lag es einfach an seiner zurückhaltenden Art, die ihn davon abhielt, andere zu korrigieren, wenn sie die Riesenbestie als Marys Entdeckung bezeichneten.
    Lord Henley kannte die Annings, denn Richard Anning hatte ihm bereits ein paar Fossilien verkauft. Allerdings hatte sich Lord Henley niemals dazu herabgelassen, den Tischler in seiner Werkstatt aufzusuchen. Nun war er sichtlich enttäuscht, dass sich der Schädel nicht im Morley Cottage befand, einem Haus, in dem er eher verkehren konnte. «Sie sollen ihn zu mir bringen, damit ich ihn anschauen kann», befahl er und sprang vom Sessel auf, als sei ihm plötzlich bewusst geworden, dass er seine Zeit mit unbedeutenden Menschen vergeudete.
    Auch ich erhob mich. «Er ist ziemlich schwer, Sir. Haben die Days Ihnen nicht gesagt, dass der Schädel über einen Meter lang ist? Selbst für sie war es eine Tortur, ihn von den Church Cliffs bis zum Cockmoile Square zu schleppen. Die Annings würden den Hügel von Colway Manor auf keinen Fall schaffen.»
    «Über einen Meter? Fantastisch! Ich schicke gleich morgen früh eine Kutsche vorbei.»
    «Ich

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