Zwei bemerkenswerte Frauen
können.
«Lassen Sie ihn, Ma’am», rief Molly Anning. «Wenn man ihm Aufmerksamkeit schenkt, wird er noch schlimmer. Er beruhigt sich schon wieder.»
Ich trat von der Schublade weg und sah mich um, bemüht, mir mein Entsetzen über diese schäbige Küche nicht anmerken zu lassen. Normalerweise ist die Küche der gemütlichste Raum eines Hauses, aber bei den Annings mangelte es an der wohligen Wärme und den Verheißungen gut gefüllter Vorratsschränke, die sonst zum Bleiben einluden. Es gab einen ramponierten Tisch mit drei Stühlen und ein Regal mit ein paar angeschlagenen Tellern, aber Brot, Kuchen oder ein Krug mit Milch, Dinge, die bei uns immer offen und einladend herumstanden, gab es hier nirgendwo zu sehen. Plötzlich spürte ich eine ungewohnte Zuneigung für Bessy in mir aufwallen. Mochte sie auch mürrisch sein, sorgte sie doch dafür, dass es in unserer Küche mehr als genug zu essen gab, und dieser Überfluss wirkte sich angenehm auf die Atmosphäre im ganzen Morley Cottage aus. Das von Bessy auf diese Weise geschaffene Gefühl von Sicherheit half uns Philpot-Schwestern über die Niederungen des Alltags hinweg. Fehlte es, musste dies ähnlich schlimm an einem nagen wie echter Hunger.
Arme Mary, dachte ich, musste sie doch nach einem langen Tag am kalten Strand in diese Küche zurückkommen.
«Ich wollte zu Mary und Joseph, Mrs Anning», sagte ich laut. «Sind sie daheim?»
«Joe arbeitet heute in der Mühle. Mary ist unten.»
«Haben Sie den Schädel gesehen, den die beiden gestern vom Strand mitgebracht haben?» Ich musste diese Frage einfach loswerden. «Er ist wirklich etwas Außergewöhnliches.»
«Hatte noch keine Zeit dazu.» Molly nahm einen Kohlkopf aus einem Korb und begann ihn mit energischen Bewegungen klein zu hacken. Sie führte mit den Händen, allerdings nicht wie Margaret mit gespreizt graziösen Gesten. Mollys Hände kannten nur Arbeit: ständig rührten, schlugen oder putzten sie.
«Aber Sie müssten doch nur nach unten gehen.» Ich wollte noch nicht aufgeben. «Es lohnt sich wirklich. Und lang dauert es auch nicht. Sie könnten jetzt schnell schauen, ich kümmere mich so lange um die Suppe und das Baby.»
Molly Anning schnaubte verächtlich. «Sie sich um das Baby kümmern? Das möchte ich sehen.» Ich errötete.
«Wenn das Krokodil erst einmal gereinigt ist, könnten Sie eine hübsche Summe dafür bekommen.» Bewusst erwähnte ich den einen Aspekt des Schädelfundes, der Mollys Interesse wecken würde.
Tatsächlich blickte Molly Anning jetzt auf, hatte aber keine Gelegenheit mehr zu einer Antwort, denn Mary kam die Treppe hochgepoltert.
«Wollen Sie das Krok besuchen, Miss Philpot?»
«Ja, und dich auch, Mary.»
«Dann kommen Sie mit runter, Ma’am.»
Seit wir in Lyme lebten, war ich vielleicht fünfmal in der Werkstatt gewesen, entweder, um Schaukästen bei Richard Anning zu bestellen, oder um Fundstücke abzuliefern, die Mary für mich reinigen sollte. Meistens aber kam Mary zu mir, wenn es etwas zu holen oder zu bringen gab. Solange der Raum die Tischlerwerkstatt von Richard Anning gewesen war, hatte er einem Schlachtfeld geglichen, in dem sich die beiden Elemente bekämpften, die sein Leben prägten: das Holz, mit dem er seinen Lebensunterhalt verdiente, und der Stein, dem sein naturkundliches Interesse galt. Noch immer waren an einer Wand des Raums glatt gehobelte Holzplatten gestapelt, daneben lagen dünnere Furnierbretter. Überall auf dem mit Sägespänen ausgestreuten Boden standen Eimer mit alten Lackresten und Werkzeugen herum. Auf dieser Seite des Raums war in den Monaten seit Richard Annings Tod kaum etwas angerührt worden, auch wenn die Annings sicher schon einen Teil des Holzes verkauft hatten, um sich über Wasser zu halten. Bald würden sie auch die restlichen Stapel und die Werkzeuge zu Geld machen.
Auf der anderen Seite des Raums reihten sich lange Regale. Sie waren mit Steinbrocken vollgestopft, in denen sich Fossilien verbergen mochten, die Marys Hammer aber noch nicht freigeklopft hatte. In einer für mich nicht durchschaubaren Ordnung standen in den Regalen und überall auf dem Fußboden außerdem unterschiedlich große Kisten herum, in denen sich ein Sammelsurium unvollständiger oder minderwertiger Fossilien befand: abgebrochene Belemniten- und Ammonitenteile, fossilierte Holzstücke, Steine mit Spuren von Fischflossen und viele andere Brocken, die sich niemals würden verkaufen lassen.
Sowohl die Holz- als auch die Steinseite des Raums
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