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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Haus unseres Bruders, dass man es vom Salonfenster im ersten Stock aus sehen konnte. Nichts tat ich lieber, als mich im Museum über die Schaukästen mit der Fossiliensammlung zu beugen, bis das Glas der Kästen von meinem Atem beschlug und die Wärter mahnend schauten. Ich stiftete dem Museum sogar ein sehr schönes, vollständiges Exemplar eines Dapedium, ein Fischfossil, an dem ich besonders hing. Als Dank erließ mir Charles Konig, der Kustos der Abteilung für Naturgeschichte, für den kompletten Monat meines London-Aufenthalts den Museumseintritt. Auf dem Schildchen stand als Finder einfach nur der Name Philpot, womit die Frage meines Geschlechts geschickt umgangen wurde.
    In jenem Frühling hörten wir während unseres London-Aufenthalts begeisterte Berichte über das Museum von William Bullock in der neu erbauten Ägyptischen Halle in Piccadilly. Dort gab es eine umfassende Sammlung von Kunstwerken, Antiquitäten und Gebrauchsgegenständen aus der ganzen Welt zu sehen, außerdem hatte das Museum eine naturkundliche Abteilung. Das Gebäude war im ägyptischen Stil gehalten und hatte riesige Fenster und Türen mit abgeschrägten Seiten wie bei einem Grabmal. Papyrusrollen krönten die kannelierten Säulen des Portals, darüber standen in einer Nische die Statuen von Isis und Osiris und blickten über Piccadilly. Die Fassade des Gebäudes war in einem aufsehenerregenden Gelb gestrichen, auf einer Tafel weiter oben stand in riesigen Lettern «Museum» geschrieben. Zwischen den anderen, eher nüchternen Backsteinbauten wirkte das Museum auf mich etwas zu theatralisch, aber genau das war wohl beabsichtigt.
    Vielleicht empfand ich diesen neuen Stil nur deshalb als schrill, weil ich mich so an die einfachen, weißgetünchten Häuser von Lyme gewöhnt hatte. Im Inneren war die Ägyptische Halle noch spektakulärer. Der ovale Eingangsbereich beherbergte afrikanische Masken und federngeschmückte Totems von den pazifischen Inseln, winzige perlengeschmückte Kriegerfiguren aus Ton sowie Steinwaffen und pelzgefütterte Umhänge aus nördlicheren Gefilden; dazu ein langes schmales Boot, Kajak genannt, in dem nur eine Person Platz hatte und in dessen handgeschnitzte Holzpaddel Muster eingebrannt waren.
    Der nächste Saal war weit größer. Hier hing eine Sammlung wenig überzeugender Gemälde der, wie man uns sagte, «Alten Meister». Auf mich wirkten diese «Alten Meister» jedoch eher wie von desinteressierten Studenten der Royal Academy angefertigte Kopien. Interessanter waren die Schaukästen mit ausgestopften Vögeln, von der schlichten englischen Blaumeise bis zum exotischen Rotfußtölpel, den Captain Cook von den Malediven mitgebracht hatte. Margaret, Louise und ich sahen sie uns gern an, denn seit wir in Lyme lebten, nahmen wir Vögel viel bewusster wahr, als wir es in London getan hatten.
    Den kleinen Johnny langweilten die Vögel bald, weshalb er mit seiner Mutter ins Pantherion ging, den größten Saal des Museums. Doch schon nach einem kurzen Moment kam er zurückgerannt. «Tante Margaret, komm schnell, du musst dir unbedingt den riesigen Elefanten anschauen!» Er nahm seine Tante bei der Hand und zog sie in den nächsten Saal, wir anderen folgten neugierig.
    Der Elefant war tatsächlich riesig. Ich hatte noch nie zuvor einen gesehen, genauso wenig ein Nilpferd, einen Vogel Strauß, Zebras, Hyänen oder Kamele. Diese Tiere standen ausgestopft unter einer Glaskuppel in der Mitte des Saals in einem mit Palmen und Gras bepflanzten Gehege, das ihren natürlichen Lebensraum darstellen sollte. Es war wirklich ein ungewöhnlicher Anblick, und wir standen ehrfürchtig staunend da.
    Nur Johnny, der noch zu jung war, um das Außergewöhnliche dessen, was wir sahen, richtig zu begreifen, verweilte nicht lange, sondern rannte weiter durch den Saal. Als ich gerade eine Boa Constrictor betrachtete, die sich über meinem Kopf um eine Palme schlängelte, kam Johnny zu mir gelaufen. «Tante Elizabeth, da ist dein Krokodil! Komm und sieh es dir an!» Er zog mich am Ärmel und zeigte auf ein Exponat am anderen Ende des Raums. Mein Neffe wusste von dem Tier in Lyme, das er wie alle anderen hartnäckig ein Krokodil nannte. Zu seinem Geburtstag hatte ich ihm zwei Aquarelle gemalt, eines von dem Fossil, das andere von dem Tier, wie ich es mir lebend vorstellte. Ich folgte Johnny auf der Stelle, denn ich brannte darauf, endlich ein echtes Krokodil zu sehen, um es mit dem Tier zu vergleichen, das Mary gefunden hatte.
    Doch Johnny hatte

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