Zwei Esel Auf Sardinien
längeren Gähnen.
»Verzeihen Sie bitte, Don Geraldo, Ihr Haus ist wunderschön, aber wir sind doch recht müde«, entschuldige ich mich bei ihm, tatsächlich fühlt sich mein Mund so rau und trocken wie Schmirgelpapier an, ich langweile mich und bin hungrig.
»Aber das verstehe ich nur zu gut! Willkommen in meinem bescheidenen Heim. Lenardedda, wir sind es. Komm her, meine Liebe, ich stelle dir meine neuen Freunde vor, Signora Speidel und Dottore Maccallini. Bitte, richte ihnen doch das Gästezimmer her. Hast du schon das Bad eingelassen? Sehr gut … Bruno, lassen Sie sich ruhig Zeit, das Abendessen wird frühestens in einer Stunde serviert.«
»Vielen Dank, Marchese, aber das war doch nicht nötig. Wir sind auch mit einem Teller Suppe zufrieden …«
»Aber ich bitte Sie, Suppe! Es gibt Ravioli mit Artischocken und Safran und ein gutes Stück Schafsbraten! Muy bien , Lenardedda, begleite die Herrschaften nach oben …«
»Ich dusche nur schnell und bin gleich wieder bei Ihnen, Marchese«, sage ich.
» Perfettu , dann zeige ich Ihnen den Weinkeller, und Sie können l’olio noeddu , das neue Öl, verkosten …«
Ehe wir die herrschaftliche Treppe in den zweiten Stock hinaufgehen, gibt uns Lenardedda Filzpantoffeln, damit wir den wunderschönen gebohnerten Fußboden nicht schmutzig machen, aber vor allem nicht darauf ausrutschen. Sie ist eine von diesen Hausdamen, wie man sie heutzutage eigentlich nicht mehr findet, und sorgt nicht nur für den Marchese, sondern schmeißt den gesamten Haushalt. Sie wirkt mürrisch und verärgert, würdigt uns keines Blickes und spricht die ganze Zeit kein einziges Wort. Jutta meint, dass sie so eifersüchtig über ihren Herrn wache, dass sie der ganzen Welt misstraue. Mit offensichtlichem Unwillen öffnet sie die Tür zu unserem Schlafgemach. Von dem Geruch, der uns entgegenschlägt, könnte einem übel werden, und das ist noch milde ausgedrückt. Es riecht abgestanden, darüber ein leichter Schimmelgeruch von dem Stapel alter Bücher auf dem Nachttischchen. Und dazu die Feuchtigkeit, die aus der Gewölbedecke mit dem Familienwappen austritt. Lenardedda lässt die Hand auf dem Türgriff liegen und bedeutet uns einzutreten. Das Parkett ächzt unter unseren Füßen, ein Hund bellt in der Ferne, wir entdecken ein vergilbtes altes Schwarzweißfoto von einem kleinen Kind mit laufender Nase, das fünf Kerzen auf einer Torte ausbläst, und auf dem Bett liegen der Schlafanzug und das Nachthemd, die wer weiß wie viele Jahre in einem Schrank mit Mottenpulver eingelagert waren. Juttas Gesicht hat sich zu einer Grimasse verzerrt. Lenardedda lehnt die Tür an und geht. Im Bad riecht es zwar ziemlich streng nach Mückenkerzen, dafür ist die Badewanne voller Schaum. Der Hahn in der Duschkabine ist völlig verrostet, und ich habe Mühe, ihn aufzudrehen. Als es mir schließlich gelingt, ist das Wasser natürlich erst einmal gelb, und ich muss es eine Weile laufen lassen. Dafür finde ich ein schönes neues Stück Seife, zwei Handtücher aus Leinenbatist für das Bidet und zwei große Frotteeduschtücher, die zusammengefaltet neben dem Waschbecken liegen. Schade, dass sie so nach Mückenmittel riechen! Ich habe zwar einen Dreitagebart, aber ich möchte mich erst morgen früh rasieren. Daher dusche ich nur kurz und trockne mich eilig ab, schlüpfe in den Bademantel aus Waffelpikee mit den ineinander verschlungenen, handgestickten Initialen » GV « und überlasse Jutta ihrem warmen Bad. Es muss ihr wohl wirklich guttun und sie entspannen, denn ich habe schon seit zehn Minuten keine Klagen mehr von ihr gehört. Mit neuer Energie laufe ich die herrschaftliche Treppe hinunter. Auf Höhe des ersten Stockes befinden sich zwei Nischen. In der rechten halten zwei Putten ein Medaillon mit Ahnenporträts, zu meiner Linken entdecke ich ein Gipsrelief von Don Geraldo zu Pferde. Ich fühle mich wie ein König. Und da kommt auch schon der Marchese, um mir voller Stolz sein Haus zu zeigen.
»Meine hochverehrte Mutter erzählte mir immer, dass ihre Urururahnin, die einige umstrittene Liebesaffären mit verschiedenen jungen Liebhabern hatte, in Vollmondnächten mit ihrem jeweiligen Auserwählten in den Keller hinabstieg und hier ihre Leidenschaft auslebte … Selbstverständlich ohne das Wissen ihres Gatten, der auf Reisen war. Doch die edle Dame gab sich nicht jedem hin. Der Auserwählte musste einen Granatapfel verspeisen können, ohne dass ein einziger Kern zu Boden fiel. Erst dann belohnte sie ihn
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