Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zwei Esel Auf Sardinien

Titel: Zwei Esel Auf Sardinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Läden zur Seite, und würzige Abendluft strömt mir entgegen. Ich atme tief ein, horche nach draußen auf das Zirpen der Grillen, dieses untrügliche Geräusch des Südens, das bei uns nur in lauen Nächten zu hören ist und den Sommer verkündet. Ein Gecko, der sich offensichtlich an der Außenmauer in der Nähe des Fensters versteckt hatte, schlüpft herein und saugt sich mit seinen Näpfen an der Zimmerwand fest. Das ist ein gutes Zeichen, Geckos bringen Glück!
    Ich lächle ihm zu und sage: »Herzlich willkommen, friss bitte alle Motten und Moskitos auf, ich geh jetzt in der Zwischenzeit hinunter und esse.«
    Mit diesen Worten entschwinde ich, als Königinmutter verkleidet.
    Sie heißt Lenardedda, nie zuvor habe ich diesen Namen gehört. Es sei ein sehr alter, traditioneller Name aus Sardinien, und sie sei schon vor der Geburt des Marchese als Zimmermädchen in dieses Haus gekommen, habe der ehrwürdigen Frau Mutter gedient, um dann die Erziehung des kleinen Marchese zu übernehmen. Das erzählt mir Marchese Valdes auf meine Frage, wer denn die alte Frau sei, die mich ins Bad begleitet hat. Akzentfreies Italienisch bietet er mir, flechtet elegant hin und wieder ein Wort Französisch ein, um seine Vielsprachigkeit zu demonstrieren. Spanisch sei seine Muttersprache, diese jedoch könne er hier nur in bestimmten Kreisen sprechen, das Volk würde ihn nicht verstehen.
    Aber jetzt sollen wir ihm doch bitte in den Salon folgen, dort würde er uns seine Mutter vorstellen! Ich bin gespannt, und wir folgen ihm. Er öffnet die Tür und lässt uns eintreten, doch kann ich in diesem Raum niemanden sehen. Der lange Refektoriumstisch ist für vier Personen gedeckt. Auch dieser Saal steht in nichts den übrigen Räumen, die ich bisher gesehen habe, nach. Reichverziertes Holz täfelt die Wände, zur einen Seite öffnet sich eine Bibliothek, die vollgestopft ist mit Büchern, auch diese vornehmlich aus einer anderen Zeit. Die Tafel schmücken silberne Kandelaber, und das Porzellan zieren Paradiesvögel inmitten vereinzelter Blumen. Auch das Besteck ist aus schwerem Silber, und die Weinkelche schimmern im Kerzenlicht. Wie kitschig perfekt alles ist, denke ich mir insgeheim, während ich der Aufforderung des Marchese, an der Längsseite der Tafel Platz zu nehmen, nachkomme. Wo wohl seine Mutter bleibt? Sicher hat sie schon gegessen, denn sie wird ja eine sehr betagte Dame sein und kommt wohl nur für einen Augenblick, um uns zu begrüßen. Bruno soll sich mir gegenüber setzen, er selbst nimmt seinen angestammten Platz am oberen Tischende ein. Ich verfolge mit meinen Augen Bruno, der Mühe hat, den schweren Stuhl zu bewegen. Dann gefriert mir das Lächeln im Gesicht. Ich schlucke, blicke nach unten auf meinen Teller, aber etwas zwingt mich magisch, meinen Blick zu heben. An der Wand hinter Bruno hängt ein gruseliges Porträt. Warum hat man mich an diesen Platz gesetzt? Soll ich irgendwelche Sünden abbüßen? Wenn ich hier sitzen bleibe, bringe ich keinen Bissen hinunter. Der Marchese füllt unsere Gläser mit Rotwein, erhebt sein Glas und sagt mit lauter Stimme: »Zum Gedenken an meine geliebte Mutter!« Auch wir erheben unsere Gläser, und ich schlucke hastig, ohne diesen köstlichen Tropfen genießen zu können. Was mir zuvor als schlechte Kopie eines Gemäldes aus einer Geisterbahn erschien, ist das Abbild seiner geliebten Mutter, auf deren Wohl wir soeben getrunken haben. Die Gute hat wohl das Zeitliche gesegnet.
    Mein Gott, was hatte die Arme nur verbrochen, dass sie mit so abgrundtiefer Hässlichkeit gestraft worden war? Welch Glück, dass der liebe Marchese ihr nicht ähnelt. Viel schlimmer jedoch ist, dass ihr Aussehen sie offenbar total verbittert hat, denn der Blick, mit dem sie mich in ihrer Strenge ansieht, zeigt einen Hass und eine Resignation, wie ich sie noch nie gesehen habe.
    »Was willst du hier, benimm dich gefälligst so, wie es diesem Hause gebührt, du nichtsnutziger deutscher Zwerg!«, scheint sie sagen zu wollen. Fast möchte ich mich entschuldigen, dass ich es wage, hier in den Gewändern einer Adligen am Tisch des Sohnes zu sitzen.
    »Es tut mir leid, aber ich habe mir diese Kostümierung nicht ausgesucht, gnädige Frau. Ihre Kammerfrau hat mich so verkleidet, aber glauben Sie mir, das ist immer noch besser als mein Aufzug, in dem ich hier angereist bin!« Suggestiv versuchen meine Gedanken diese harte Frau zu erweichen. Erstaunlich, dass ein solcher Sohn an ihrer Seite gedeihen konnte. Sofort schließe

Weitere Kostenlose Bücher