Zwei Esel Auf Sardinien
ich Lenardedda in mein Herz. Sie ist zwar kein Ausbund an Herzlichkeit oder Wärme, aber ihr ist es mit Sicherheit zu verdanken, dass Signor Valdes so großzügig und zuvorkommend ist. Von dieser Mutter strahlt mir der pure Geiz entgegen. Da sie mit ihrem Aussehen keine Großzügigkeit verschenken konnte, war sie bestimmt auch sich selbst gegenüber geizig. Kaum zu glauben, dass sie sich einst einem Mann hingegeben hatte.
Die Stimme unseres Gönners reißt mich aus meinen Gedanken. Er hat offensichtlich bemerkt, dass mich das Gemälde seiner Mutter in den Bann gezogen hat, nur interpretiert er es völlig falsch. Er vermutet Begeisterung, denn er beginnt einen Monolog, dem ich entnehmen kann, wie sehr er seine Mutter vergöttert hat. Ganz alleine hätte sie das gesamte Gut organisiert (kein Wunder!, denke ich), das viele Gesinde im Griff gehabt (die Armen, denke ich), den Weinkeller verwaltet (aha, daher die große Säufernase), die Pferde beritten (ja, der Hintern scheint ausladend zu sein), selbst die Näherinnen hätte sie mit ihrem internationalen Modegeschmack beeinflusst. O Gott, hat sie etwa diesen Bademantel entworfen?
Er findet gar kein Ende, so begeistert ihn sein Redefluss, dem ich lediglich einige »Mmhhs« entgegensetze. Zum einen gibt es absolut nichts dazu zu sagen, und zum anderen will ich mich nicht mit meinem spärlichen Italienisch blamieren. Je weniger ich sage, desto mehr scheint er zu glauben, ich verstünde alles. Ein Wort gibt begeistert das andere, und so schleicht sich von ihm unbemerkt Lenardedda mit dem Essen herein. Sie füllt uns auf, der Duft des Fleisches steigt mir in die Nase, eine Schüssel Pasta dampft fröhlich vor sich hin, aber nichts kann ihn zum Schweigen bringen. Unsere Höflichkeit verbietet uns, mit dem Essen anzufangen, so wird alles kalt. Schließlich erhebt er sich, nimmt erneut sein Glas, wendet sich an seine Mutter, indem er sich für sein wunderbares Leben mit ihr bedankt, faltet seine Hände und kniet nieder, um ein Gebet zu sprechen. Ich bin völlig verwirrt, falte sicherheitshalber auch meine Hände und murmle etwas Unverständliches als Zeichen meines Respekts. Was für ein Kauz dieser Mann doch ist, aber bei allem sehr sympathisch! Er scheint wirklich in Frieden zu leben mit sich und all den Menschen um ihn herum, für die er der Padrone ist und denen er Arbeit gibt. Vielleicht erkenne ich nur einfach die inneren Werte dieser Frau nicht und müsste sie durch seine Augen sehen. Viel Appetit habe ich nicht mehr, als er endlich aufsteht und uns »Buon apppetito « wünscht. Wenn die Dame mir doch wenigstens nicht beim Essen zusehen würde. Auch Bruno scheint etwas geistesabwesend zu sein, denn er reagiert nicht auf meine versteckten Zeichen. Ich würde so gerne wissen, wie er dieses Bild findet.
Der Thron, auf den ein italienischer Mann seine Mutter setzt, kann nie hoch genug sein. Sie mag in ihrer Aufgabe als Mutter noch so inkompetent sein, er wird es nie zugeben. Wir in Deutschland sehen unsere Eltern nicht so verklärt, spätestens in den sechziger Jahren fing die Jugend an, die Gesellschaft zu kritisieren und somit auch die Eltern. Wir nannten unsere Eltern beim Vornamen und wollten uns mit ihnen auf eine Ebene stellen. Dies war schwierig für beide Seiten. Diskussionen waren an der Tagesordnung, und man musste seine politische Haltung verteidigen. Wehe dem, der kontrovers dachte. In dieser Zeit brachen viele Familien auseinander. Aber es barg auch neue Chancen.
Undenkbar ist für mich diese für meine Begriffe verlogene Haltung einer Mutter gegenüber. Ich bin zweifache Mutter und könnte es nicht ertragen, von meinen Kindern unkritisch vergöttert zu werden. Aber hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Für Bruno, so glaube ich, ist diese Verehrung ganz normal, niemals habe ich ihn ein ungutes Wort über seine Mama sprechen hören.
Während ich meinen Gedanken nachhänge und lustlos auf dem kalten Essen herumkaue, haben sich Bruno und der Marchese in eine politische Diskussion verstrickt. Ich kann ihr nicht folgen, geschweige denn eine eigene Meinung einbringen. Gerne würde ich mich beteiligen, aber ich bleibe außen vor, so wie schon in den vorangegangenen Tagen. Wie wichtig es ist, verschiedene Sprachen zu sprechen, wird mir wieder einmal bewusst, und ich ärgere mich, nie die Zeit investiert zu haben, diese schöne, aber auch schwierige Sprache gut zu erlernen. So bedeutet es jedes Mal einen Rückzug für einen von uns beiden. Bei Bruno in
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