Zwei Esel Auf Sardinien
einen unanständigen Brief handeln. Padre Mariano entfernt sich verlegen. Giulia hat endlich den Altar erreicht, nachdem sie auf dem Weg ständig über ihre Schleppe gestolpert ist. Maurizio kriegt sich gar nicht mehr ein. Der Zettel rutscht ihm aus der Hand auf den roten Läufer, und bevor der Ministrant sich hinunterbeugen und ihn mit seiner schmalen Knabenhand aufheben kann, stelle ich meinen Schuh darauf, schnappe ihn mir und lasse ihn in meiner Tasche verschwinden. Maurizios Lachen wirkt ansteckend, so ansteckend, dass es jetzt die ersten Reihen hinter den Bänken für die Verwandten des Bräutigams erreicht hat. Dort sitzen seine Freunde: eine Bande von Spaßvögeln, die ihm wohl jede Menge Blödsinn mit der Botschaft geschickt haben und sich jetzt köstlich über ihren gelungenen Scherz amüsieren. Zum Glück dröhnt Mendelssohn jetzt mit voller Wucht. Maurizio kann sich immer noch nicht beruhigen. Giulia steht jetzt vor den Stufen zum Altar, sie sieht ihn empört an. Was denn? Sehe ich da etwa Verachtung für den Mann, den sie gleich heiraten wird?
»Maurizio, Maurizio, was ist denn mit dir los? Jetzt beruhige dich! Ich habe keine Lust, mich völlig zu blamieren, ich bitte dich!«
Kopfschüttelnd geht Padre Mariano zu den Eltern der Braut, um kurz mit ihnen zu reden. Doch ihren Vater kitzelt es in der Nase, und deshalb öffnet er instinktiv den Mund. Anscheinend muss er niesen, aber der Mann hält es geistesgegenwärtig zurück und verbirgt es hinter einem Gähnen. Padre Mariano konzentriert sich jetzt lieber auf seine Pflichten und läutet kräftig die Glöckchen. Daraufhin gehe ich zu Maurizio.
»Psst … Erkennst du mich jetzt, ja oder nein?«
Er hört auf zu lachen, dann wird er ganz blass:
»Duuu? Wie siehst du denn aus?«
»Erkläre ich dir später.«
Giulia steht jetzt neben ihm. Ich stelle mich vor. Sie grüßt mich nicht einmal, sondern zischt mir leise zu:
»Wo sind die Ringe?«
»Die habe ich gerade einer deiner Brautjungfern gegeben«, beruhige ich sie hastig.
Maurizio scheint jetzt ernst geworden zu sein.
»Entschuldige, Liebes, ich konnte einfach nicht mehr aufhören …«
Jutta versucht derweil, weiter hinten in der Kirche in einem Grüppchen von Hochzeitsgästen möglichst wenig aufzufallen. Die Orgel verstummt. Stille. Nun beginnt die Zeremonie. Endlich lächelt Giulia einmal. Das Brautpaar will gerade niederknien, da hört es gedämpfte Schritte hinter sich, wie die eines Hühnerdiebs, aber es ist der Fotograf, dem der Objektivdeckel unter das Kleid der Braut gerutscht ist. »Entschuldigung, aber mir ist da der …«
Giulia starrt ihn mit weit aufgerissenen Augen an und ist zu keiner Reaktion mehr fähig. Maurizio kommt ihr ziemlich verärgert zu Hilfe:
»Was erlauben Sie sich, weg da.«
Nun läutet es wieder. Maurizio beißt sich nervös auf die Lippe. Ich setze mich neben den anderen Trauzeugen auf die Bank, es ist Giulias Bruder. Während der Pfarrer mit der Zeremonie beginnt, ziehe ich den zerknitterten Zettel aus der Tasche und überfliege ihn heimlich.
REGELN FÜR EINE GUTE EHE
Lieber Maurizio, liebe Giulia, hier eine Liste der Regeln, die ihr zum Wohl eurer Ehe einhalten solltet:
Meidet den Gebrauch von Kondomen, eine Erektion, die nicht vom heiligen Sakrament der Ehe gesegnet ist, Selbstbefriedigung, Potenzmittel, schmutzige Gedanken, Tiramisu und andere erregende Speisen, Spiegel im Schlafzimmer, den Gebrauch von Peitsche und Handschellen, erotische Phantasien, schmutzige Worte oder antörnende Bemerkungen (wie zum Beispiel diesen unglaublich originellen Anmachspruch, Maurizio, bei eurer ersten Begegnung am Skilift: »Soll ich dir mal meinen ganz persönlichen Skistock zeigen?«).
Vermeidet, über einem Sexshop zu wohnen, zu füßeln, außer ihr tragt Moonboots, Kalender von bekannten Reifenherstellern.
Vermeidet unzüchtige Taten und Gedanken, alles, was einem wohlanständigen Sexualleben entgegensteht, selbst wenn ihr zu einer babylonischen Orgie eingeladen seid oder der Party zum Fünfzigsten eures Lieblingspornostars.
Liebt euch nur, um Kinder zu zeugen. Vollzieht den Beischlaf auf jeden Fall nur in der Missionarsstellung, übereinander wie zwei Toastscheiben bei einem Sandwich, sie unten, schlafend, und er oben, vollkommen regungslos.
Die Trauungszeremonie ist gerade mit dem Ritual de sa cadena zu Ende gegangen, mit dem der Bund fürs Leben symbolisch besiegelt wird. Maurizio steckt den kleinen Finger der rechten Hand in einen Ring, der den Schluss
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