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Zwei Esel Auf Sardinien

Titel: Zwei Esel Auf Sardinien Kostenlos Bücher Online Lesen
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einer Kette bildet, die wiederum um Giulias Taille gegürtet ist. Das Brautpaar hat die »Liebesversprechen« unterschrieben, dieses Dokument wird nun die nächsten fünfundzwanzig Jahre hier in der Kirche aufbewahrt. Erst dann wird man sie lesen! Ob die beiden dann überhaupt noch zusammen sind? Ich wünsche es ihnen von Herzen. Salvatore, genannt Tore, einer der Schutzpolizisten, der den Platz überwacht, aber gleichzeitig Basstuba in der Dorfkapelle spielt, sollte jetzt eigentlich das Zeichen für den Marsch zum feierlichen Auszug aus der Kirche geben. Aber Salvatore hat nur Augen für eine von Giulias Brautjungfern, die mit einem Teller in der Hand das Brautpaar vor der Kirche erwartet. Der feurige Musiker würde gern ihre Bekanntschaft machen. Und das, obwohl der Leiter der Kapelle, der ihn nur zu gut kennt und außerdem weiß, dass er Familienvater ist, ihn vor der Trauung ermahnt hat, nur ja die jungen Mädchen in Ruhe zu lassen. Aber Salvatore hat nun mal eine Schwäche für Frauen – besonders für Dunkelhaarige –, und anstatt das Mundstück seines Instruments anzusetzen und die erste Note anzustimmen, steht er da und raspelt Süßholz. In Gesturi setzt sich die Musikkapelle üblicherweise aus Einwohnern des Dorfes zusammen. Also kennen sich alle untereinander gut. Unter den Musikern, die nur zu Begräbnissen, Prozessionen und Hochzeiten spielen, findet man auch viele junge Leute. Das Sopransaxhorn, ein Neunzehnjähriger, der seit langem leidenschaftlich in Borgia verliebt ist, eben jenes junge Mädchen, das Salvatore sich gerade ausgeguckt hat, kann nicht losspielen, bevor Salvatore nicht die erste Note vorgibt. Das kleine Bombardon, der Apotheker neben ihm, sagt, er solle trotzdem anfangen. Aber der junge Mann will nichts davon wissen. Als er seine kleine Brünette lächelnd und offensichtlich geschmeichelt mit Salvatore reden sieht, wird er von heftiger Eifersucht gepackt und macht ihr eine wütende Szene. Erst der Leiter der Kapelle kann diese beenden. So schnell gibt sich Salvatore allerdings nicht geschlagen, er geht zwar folgsam an seinen Platz zurück, aber mit geschickter Bosheit gelingt es ihm, die Eifersucht des jungen Mannes aufs Neue anzustacheln, indem er ihm triumphierend eine Blume zeigt, die das Mädchen ihm ins Knopfloch seiner Uniform gesteckt hat. Jetzt endlich lässt Salvatore sein Instrument ertönen, begleitet von den anderen Blech- und den Schlaginstrumenten, dabei lässt er die Brautjungfer jedoch nie aus den Augen.
    Am Ausgang empfängt die fröhliche Menge die Neuvermählten: Auf dem ganzen Platz wird gefeiert. Sobald das Brautpaar die Schwelle überschreitet, wird es im wahrsten Sinne des Wortes »überschüttet«. Dieser Brauch nennt sich s’arazza , was sich auf den Inhalt der Teller, die die Brautjungfern tragen, bezieht: Korn, grobes Salz, Blüten, aber auch bunte Papierstückchen, Zuckermandeln und Münzen. Der Brauch verlangt nun, dass all dies als gutes Vorzeichen auf das Brautpaar geworfen wird und die Teller danach vor ihren Füßen auf den Boden geworfen werden. Sie müssen unbedingt zerbrechen, damit alles für das Paar günstig ist. Laut Giulias Bruder gibt es dafür einen anderen Grund: Die zerbrechenden Teller könnten eine Anspielung auf die Jungfräulichkeit der Braut sein, ein plausibler Gedanke, wenn man bedenkt, dass keine Teller zerbrochen werden, wenn eine Frau zum zweiten Mal heiratet oder man zweifelt, dass sie noch Jungfrau ist.
    »Das waren noch andere Zeiten!«, meint er augenzwinkernd.
    Einem anderen Brauch nach soll der Bräutigam im Hochzeitszug immer rechts gehen, um daran zu erinnern, dass der Mann Gott nähersteht als das Weib.
    »Aber wie du siehst, geht dein Vetter links. Ein deutliches Zeichen dafür, dass Gott es sich anders überlegt haben muss.«
    Das Brautpaar steigt nicht wieder auf den traditionellen Wagen, sondern geht zu Fuß zum Haus von Giulias Eltern. Jetzt begreife ich auch, warum ihre Mutter die Kirche bereits vor dem Schlusssegen verlassen hat. Der Brauch will, dass sie das Brautpaar auf der Türschwelle mit einem Teller mit s’arazza und einem Glas Wasser empfängt. Davon trinken die Neuvermählten dann, und der Rest wird vor der Braut ausgegossen, während sie das eheliche Schlafgemach betritt. Die Wege sind ebenfalls mit Korn und Salz bedeckt. Zwei Züge haben sich gebildet, die vor dem Brautpaar hergehen. Der, in dem Jutta und ich gelandet sind, wird von Frauen in Tracht angeführt, die Weidenkörbe mit Brot und

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