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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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er nach Periperi zurückkehren und sie in die Gesellschaft seiner Freunde einführen, das Haupt erhoben wie einst, denn wer konnte jetzt noch an seinem Titel und an seinen Taten zweifeln? In diesem Augenblick kam ihm der Gedanke an den Diebstahl. Er liebte diesen ITA , er wollte zwischen seinen auf dem großen Wohnzimmertisch seines Hauses aufgestellten nautischen Instrumenten ein Andenken an seine letzte Reise als Kapitän haben. Auf der Rückreise würde er ein Passagier sein, zwar ein Ehrenfahrgast, behandelt mit der Zuvorkommenheit, die einem Kapitän auf großer Fahrt – einem Manne, dem die Schifffahrtsgesellschaft einen so großen Gefallen verdankte – zukam, aber das Schicksal des Schiffs, seiner Besatzung und Passagiere würde nicht mehr in seinen Händen liegen. Er wollte ja nur ein schlichtes Andenken, irgendeinen Gegenstand, der ihn an seine glücklichen Tage an Bord erinnern sollte. Zum Beispiel einen jener Aschenbecher mit dem Wappen der
Costeira
und dem Foto des ITA darauf. Einer war am Vorabend im Bingo verlost worden, andere standen auf den Rauchtischchen. Vasco warf einen raschen Blick in die Runde, es war niemand zu sehen. Flugs verschwand der Aschenbecher in der rechten Rocktasche. Und da Gelegenheit Diebe macht, landete ein zweiter in der linken Tasche. Dies war kein plötzlicher Anfall von Kleptomanie, sondern einfach die Macht der Erinnerung an seinen guten getreuen Zequinha Curvelo. Welch besseres Geschenk konnte er ihm mitbringen, welch schöneren Beweis seiner Freundschaft ihm liefern?
    Nach dem behände und gewandt ausgeführten Diebstahl fühlte der Kommandant keinerlei Gewissensbisse. Die »Brasilianische Küstenschifffahrtsgesellschaft« war reich, zwei Aschenbecher mehr oder weniger spielten in ihrer Jahresbilanz keine Rolle. Er hätte sie ja auch nicht entwendet, wenn sie an Bord zu kaufen gewesen wären. Er hatte sich eigenhändig beim Zahlmeister erkundigt und von diesem erfahren, dass der am gestrigen Abend als Preis verteilte Aschenbecher der letzte in jener Ausführung frei verfügbare gewesen war. Einige Gewissensbisse verursachte ihm lediglich die Porzellanfigur, ein etwas erzwungenes Geschenk des falschen Dr. Stênio. Dabei handelte es sich freilich nicht um einen Diebstahl, außerdem hatte es Clotilde unendlich viel Freude bereitet. Noch am Abend vorher, als sie im Anblick des mondübergossenen Meeres voneinander Abschied nahmen, sagte sie, sie habe seine Liebe in dem Augenblick gespürt, als er ihr das Porzellankanapee mit dem romantischen Liebespärchen darauf überreichte.
    Diese Gedanken erwägend, schlenderte er auf dem Promenadendeck dahin, als er dem paraensischen Anwalt, Dr. Firmino Morais, begegnete. Der Jurist lehnte an der Reling, den Blick in tiefes Nachsinnen versunken. Beim Näherkommen des Kommandanten drehte er sich um, man begrüßte sich und begann eine Plauderei. Der liebenswürdige Passagier schien besorgt und unruhig und hängte sich sofort an den Kommandanten, als bedürfe er eines Gesprächspartners, der ihn daran hinderte, zu grübeln und mit seinen Problemen und Ängsten allein zu sein. So schloss er sich ihm an und sagte:
    »Nun, Herr Kommandant, heute werden wir also in Belém do Grão Pará sein …«
    »Um drei Uhr nachmittags, Doktor Morais.« Er sah auf die Uhr, es war sieben Uhr morgens. »In genau acht Stunden …«
    »Es war ein gute, eine angenehme Reise.«
    »Eine friedliche Reise, die friedlichste, die ich je gefahren bin.«
    »Friedlich?«, fragte der Anwalt. »Ob sie so friedlich gewesen ist?«
    »War sie’s etwa nicht? Wir haben keinen Sturm, keinen Taifun erlebt.«
    »Vielleicht haben andere Stürme gewütet … In den Seelen der Passagiere, Herr Kapitän.«
    Sollte das eine Anspielung auf seine Liebschaft mit Clotilde sein? Vielleicht aber meinte er damit erotische Annäherungen, Ausschweifungen auf dem Sportdeck, wie er, Dr. Firmino, sie mit der Mestizin praktiziert hatte?
    »Was mich betrifft, Herr Doktor, so habe ich stets auf äußerste Korrektheit gehalten. Und wenn ich irgendwelchen Gefühlen nachgegeben haben sollte, so waren sie anständig, sauber und gehorchten den ehrbarsten Absichten.«
    Wollte der Kommandant damit seinerseits anspielen auf sein Anbandeln mit Moema, auf seine Mondscheinspaziergänge mit ihr auf dem Oberdeck, auf ihre einsamen Plaudereien auf dem Promenadendeck und die Tatsache, dass er sich mit ihr von den übrigen Passagieren mitten auf der Straße in Fortaleza abgesondert hatte? Der Anwalt

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