Zwei Geschichten von der See
Kommandant zeigt seiner alten Schachtel das Schiff. Er war schon im Maschinenraum und im Kesselraum. Ich lehne jede Verantwortung ab …«
»Seit wann hat der Kommandant nicht das Recht, einem Passagier das Schiff zu zeigen? Besonders seinem Schatz? Lassen Sie ihn doch machen …«
»Die fallen bestimmt eine Leiter hinunter und brechen sich das Genick …«
»Das wäre dann der zweite Kapitän, den wir auf dieser Reise beerdigen. Ein Rekord …«
Kaum war ihr Zwiegespräch beendet, als Vasco und Clotilde auf der Brücke erschienen, so dass der Erste Offizier und der Zahlmeister sich kaum ein Lächeln verkneifen konnten. Sie waren im Gesicht und an den Armen über und über mit Ruß beschmiert, seine weiße Uniform war ein Bild des Jammers.
»Ich mache mit Senhorita Clotilde einen Rundgang durchs Schiff. Ich möchte ihr jetzt den Funkraum zeigen.«
»Wollen Sie ihr nicht auch die nautischen Instrumente zeigen?«
»Vielleicht später.«
Der Zahlmeister stieg die Leiter hinunter und rieb sich die Hände. Vasco betrat den Raum des Funkers. Dieser lag ausgestreckt auf seiner Koje, sprang aber beim Anblick des Kommandanten flugs auf.
»Sendet man hier ein SOS aus, wenn das Schiff in Seenot ist?«
»Genau hier, Senhora.«
Wenn sie ihn jetzt darum bäte, eine Reihe hochdramatischer »Save our Souls« zu funken? dachte Vasco. Aber der Gedanke schien ihm sogar lustig, er schreckte ihn nicht einmal, es wäre eine urkomische Posse.
Im Vorbeigehen zeigte er ihr seine Kajüte, das Heim des Kapitäns. Sie streckte den Kopf durch die Türe und linste hinein, ohne jedoch einzutreten. Auf dem Tisch stand ein Foto: eine schöne Frau mit Silberhaar, ein Lächeln auf den Lippen, zwei halbwüchsige Knaben neben ihr, der eine etwa fünfzehnjährig, der andere etwas älter.
»Wer ist das?«, wollte Clotilde argwöhnisch wissen.
»Frau und Söhne des verstorbenen Kapitäns …«
Als sie die Treppe hinunterstiegen, sagte sie zu ihm:
»Was ich liebend gern täte, wäre, einen Kapitän zu heiraten.«
»Und was bin ich?«
»Ich weiß, ich weiß … Aber ihn heiraten und mit ihm an Bord leben. Mit ihm überall hinfahren, die ganze Welt bereisen, von einem Hafen zum andern.«
»Es ist verboten, Frauen an Bord zu haben. Hast du schon an die Gefahren gedacht? Tag und Nacht auf See, auf einem Frachter, mit einer Besatzung rauer Männer – hast du nicht die Heizer gesehen? – und dabei die Frau eines Kapitäns an Bord? Wie stellst du dir das vor?«
»Ich habe mal einen Film mit so einer Geschichte gesehen, wo der Kapitän die Frau mitnahm. Er war fabelhaft, ich habe aber vergessen, wie er hieß …«
Der Kommandant lächelte. Eines Tages, wenn sie in Periperi in seinem Haus mit den aufs Meer gehenden grünen Fenstern eingerichtet wären, würde er ihr an den gemütlichen Abenden, sie strickend und er sein Pfeifchen schmauchend, all das erzählen, was er erlebt hatte: als vor der türkischen Küste eine wahnsinnig verliebte Mohammedanerin sich in seiner Koje versteckt hatte und er sie erst entdeckte, als das Schiff bereits auf hoher See war. Viele Geschichten würde er ihr erzählen, Seenot mit SOS , Gefahren in Opium- und Schmuggelhäfen, er hatte ein aufregendes Leben hinter sich, das er ihr schenken, ihr in den Schoß legen, mit ihr teilen wollte.
Von der vollständigen, seherischen Kenntnis der Seefahrtskunst
Am Morgen des letzten Reisetages, als die lehmigen Wasser des Amazonas-Flusses bereits ins Meer hinausdrängten und in der Entfernung das Raunen der Flussdünung zu hören war, beging der Kommandant Vasco Moscoso de Aragão zum ersten Mal in seinem langen bewegten Leben einen Diebstahl, ging jedoch gleich darauf wieder mit größter Korrektheit vor, indem er jede Neugierde unterdrückte und die versprochene Verschwiegenheit strikt einhielt.
Der Diebstahl vollzog sich in dem zu jener frühen Stunde noch verlassenen Salon, als der Kommandant seine letzte Inspektion des Schiffes begann. Er hatte diesen ITA -Dampfer ins Herz geschlossen. Die Reise war ohne aufregende Zwischenfälle verlaufen, es hatten weder Schiffbruch noch Meuterei gedroht, schwierige Fragen der Navigation waren nicht zu lösen gewesen; weder war der Kompass verrückt geworden, noch hatte der Sextant Zicken gemacht, es war nicht einmal ein Revolutionär entdeckt worden, wie der paraibanische Deputierte gedroht hatte. Er selbst hatte die Disziplin aufrechterhalten, das Schiff geführt und an Deck die Frau seines Lebens gefunden. Mit ihr würde
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