Zwei Geschichten von der See
Kumpel, die sich wegen nichts und wieder nichts in die Haare kriegen.«
»Ich dulde nicht, dass man das Wort eines anständigen Mannes bezweifelt …«
»Ich bezweifle ja nur, dass er sich im Poker auskennt …«
»Tatsache ist, dass er stiften gegangen ist …«, stellte Rúi Pessoa fest.
Aber schon kam Vasco mit zwei Kartenspielen und einer Schachtel Spielmarken zurück. Es waren nagelneue, blanke, gewachste Karten mit der Fotografie eines Überseedampfers auf der Rückseite, dessen Schornsteinen blauer Rauch entstieg. Ja, das waren Karten. Sie gingen von Hand zu Hand.
Chico Pachecos Niederlage beschränkte sich nicht auf diese kleine Einzelheit. Wenn er auch ein guter Pokerspieler war, aber, nervös und reizbar, jeden Augenblick zu bluffen versuchte, konnte er dennoch Vasco Moscoso de Aragão nicht das Wasser reichen, der, von ansteckend guter Laune, mit Fachkenntnis, Sicherheit und nautischen Fachausdrücken spielte. Er wusste, wenn es galt, einzusteigen, wann zu passen, wann ein Bluff angebracht war; blitzschnell lernte er die Finten jedes Partners zu durchschauen. Chico Pacheco konnte ihm abstreiten, was er wollte, nur nicht die Fähigkeit, Poker zu spielen. Hierin war er Meister.
Zequinha Curvelo kiebitzte die Partie von einem Stuhle aus. Längst war der Eisberg entschwunden und löste sich in der Hitze der Südsee auf; nun bewährten sich am Spieltisch Vascos starker Herzschlag und sein flinkes Auge. Dann und wann warf Zequinha dem ungerechten Steuerprüfer im Ruhestand einen überlegenen Blick zu. Und als Vasco mit nur einem Paar Damen einen hohen Einsatz Chico Pachecos hielt, was mit einem Paar Sieben herausgeschmissenes Geld war, konnte Zequinha sich nicht länger halten: »Der Neid zehrt, Seu Chico Pacheco.« Er zehrte auch. Chico Pacheco bekam Leberschmerzen und kaufte nochmals Marken für fünf Milréis.
Dieser denkwürdige Spielnachmittag eröffnete eine neue Phase in Periperi: Von nun an kamen jeden Donnerstagabend außer den unvermeidlichen Kiebitzen der alte José Paulo, Augusto Ramos und Leminhos zu einer hitzigen Runde Poker im Hause Vascos zusammen. Dabei begann Zequinha Curvelo in die Geheimnisse des Spiels einzudringen, denn ein Seemann hat die Pflicht, Poker zu kennen und zu schätzen. Chico Pacheco hingegen lehnte es ab, mit von der Partie zu sein. Er setzte keinen Fuß in das Haus des Kommandanten – Arsch mit Ohren, Kommandant! –
Vom Johannistag mit Likör, Canjica und Haien, oder: Der geschlagene Neidhammel
Der Juni war gekommen mit seinem endlosen Regen, der die sandigen Gassen in Schlamm verwandelte, und mit seinen Maiskolben, die sich in den Küchen für Manuê, Canjica und Pamonha stapelten. Juni war der Monat der Schwelgerei, wenn die Rentner und Privatiers ihre Diät aufgaben, Wacholderbeerlikör und würzigen Gerichten nach Herzenslust zusprachen. Sie würden diese Ausschweifungen teuer zu bezahlen haben, manch einer würde die Verschlimmerung seiner Beschwerden, die von der Zuckerkrankheit bis zum Rheumatismus gingen, durch Verzicht auf den Genuss von Zucker oder Salz steuern müssen. In vielen Fällen betete man zum heiligen Antonius, zuerst kam das gesungene Gebet vor dem Behelfsaltar des heiligen Heiratsstifters an die Reihe, dann folgte ein Tänzchen zum Klang der Harmonika. Auf dem Platz wurde der hohe Mastbaum für die Sankt-Johannis-Fahne errichtet, Reisighaufen für das Feuer der heiligen Nacht wurden aufgeschichtet. Am Monatsende würden Witwen und Witwer das Fest Sankt Peters, ihres Schutzpatrons, feiern. Es war ein Monat voller Feiertage, an denen die Kinder Raketen und Knallfrösche losließen, wo das junge Volk bei den Andachten miteinander anbändelte, wo die jungen Mädchen sich über ein Zauberbecken beugten, um im Wasser das Gesicht ihres Zukünftigen zu erspähen. In diesen Monat fiel auch die Wahl des Schirmherrn des Sankt-Peter-Festes, ein von allen männlichen Bewohnern begehrtes Ehrenamt.
In Wahrheit feierte jedes Haus sein eigenes Johannisfest, denn selbst in dem ärmsten Haushalt wurde eine Flasche Wacholderlikör entkorkt, wurden ein Stückchen Canjica, Maiskuchen oder Puba, Maniok-Cuscuz, maisstrohumhüllte schmackhafte Pamonha angeboten. Auf dem Festplatz gab es jedoch allerhand Kurzweil für die armen Kinder, die Söhne der Fischer und Eisenbahnarbeiter, die Schüler der Volksschule. Dann kam Pater Justo aus Plataforma, las morgens im Kirchlein die Messe, aß im Hause eines der Honoratioren zu Mittag und wohnte am Nachmittag den Spielen
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