Zwei Geschichten von der See
Mondkälber!
Sich mit dem zu messen, das war ganz unmöglich! So blieb ihm nur die Chance, den Betrüger zu entlarven, den Schaumschläger an den Pranger zu stellen. Ach, wüsste er doch in Geographie Bescheid, er würde ihm eine Handvoll Meeresströmungen, ein paar Längen und Breiten an den Kopf werfen, er würde ihn mit seinen Seerouten einseifen, würde ihn an seinen Eselsohren von seiner Kommandobrücke herunterzerren und für immer aufs Trockene setzen. Ich muss mir aus der Schule von Salvador ein paar Lehrbücher kommen lassen, dachte Chico Pacheco.
Seit seiner Rückkehr aus Bahia kaute er an einer bitteren Pille. Er war bleicher geworden als gewöhnlich und fühlte sich ständig von einer Leberreizung bedroht. Die Gestalt Vasco Moscoso de Aragãos, seine Pfeifensammlung, seine Navigationsinstrumente, seine Seekarten und gerahmten Schiffe, sein Fernglas und sein Teleskop, seine angeberische Mütze, all das beherrschte Periperi von einem Ende zum anderen, vom Bahnhof bis zum Strand, es war kein Platz mehr da für eine andere Persönlichkeit, eine andere Berühmtheit, für einen zweiten Helden. Seine selbstgedrehte Zigarette aus Rolltabak und Strohpapier rauchend – aber was bedeutete eine noch so übelriechende Strohzigarette im Vergleich zu einer mit aromatischem Tabak gestopften Meerschaumpfeife? –, kaute Chico Pacheco seinen Groll und seine Rachepläne wider.
Und doch lag der Betrug auf der Hand – so überlegte er; nur wer unbedingt blind sein wollte, sah es nicht – oder vielleicht jene armseligen Zuhörer, die schon mit einem Bein im Grabe standen. Der Dummbart Zequinha Curvelo, der war vor lauter Bewunderung für seinen neuen Helden Leichtmatrose zweiter Klasse geworden, er trabte wie eine Ordonnanz hinter dem Beutelschneider her und schleppte ihm seinen Sterngucker für jene groteske Zeremonie auf den Kamm der Felsen, für die Inspektion der Bucht und der einlaufenden Schiffe.
Zu diesem Zweck scharte er Zuschauer um sich, es war, als stünde der Hafen von Bahia plötzlich unter der Obhut und Leitung der Einwohner von Periperi. Beim Abstieg verkündete Vasco:
»Ein holländischer Passagierdampfer. Einwandfreies Manöver …«
Oder er verriet verschwiegen:
»Ein panamaischer Frachter … Dürfte allerhand Schmuggelware an Bord haben …«
Man tauschte verständnisinnige Blicke, man fühlte sich in gewagte Unternehmungen verwickelt, ein jeder hatte plötzlich etwas von einem Schmuggler an sich, insbesondere Zequinha Curvelo. »Eine Affenkomödie«, brummte Chico Pacheco, noch gelber im Gesicht, den bitteren Geschmack des Neides im Mund voll faulender Zähne. Er blickte das leutselig lächelnde Gesicht des Kommandanten an – denkste, Kommandant!, sein Aussehen eines Posamentierers, und war jetzt mehr denn je von einem überzeugt: Wenn der Kerl jemals einen mickrigen Küstenkahn gefahren hatte, war er sicherlich nie über Häfen wie Ilhéus, Aracaju und Belmonte hinausgekommen.
So ließ er denn unauffällig, beiläufig seine Bedenken laut werden. Sogleich stieß man ihn in Anwesenheit aller mit der Nase auf das unterschriebene, eingetragene, goldgerahmte Patent im Wohnzimmer des Kapitäns. Zugegeben, das Patent war eine kaum zu leugnende Tatsache. Aber was bewies das, abgesehen davon, dass er einen jener Seelenverkäufer der Bahianer Reederei gefahren hatte, auf dem jeder Passagier auf der kurzen Strecke von Caravelas nach Salvador unweigerlich seine Seele auskotzte? Vielleicht nicht einmal das: Wer weiß, ob der Kommandant – ausgerechnet, Kommandant! – je im Leben über den São-Francisco-Fluss und einen Äppelkahn hinausgekommen war, der von Joazeiro nach Pirapora und von Pirapora nach Joazeiro tuckerte. Auf seine Visage eines Hausierers, eines Ratenverkäufers mochten Tölpel hereinfallen, aber nicht er, Chico Pacheco, der gewohnt war, mit aalglatten Advokaten, mit den geriebensten Rechtsverdrehern des Gerichtshofes, mit Spitzbuben aller Art umzugehen. Jene Geschichten von Asien, von Inseln im Indischen Ozean, von Weibern aus Ceylon, von griechischen Matrosen – Vasco kannte sie sicherlich aus Büchern, er hatte sie gehört oder schlankweg erfunden. Ein Schlickrutscher des Rio São Francisco war das Äußerste, was Chico Pacheco ihm zuzubilligen bereit war.
Obwohl sein erster Angriff an dem Patent abgeprallt war, ließ er, gestählt durch zehn Jahre Prozessieren gegen den Staat, dennoch den Mut nicht sinken. Während er auf die bei seinem Sohn bestellten Lehrbücher
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