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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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Wiedersehens bei ihm:
    »Hör mir bloß mit deinen Flausen auf … Der Mann soll ein Lügner sein? So was kann nur einem Querkopf wie dir einfallen. Ich hab dir geglaubt und bin dabei schön hereingefallen. Der Kommandant hat mir sogar das Messer gezeigt, mit dem er die Haie erledigt hat …«
    »Ihr seid eine Horde von Hohlköpfen.«
    So kam es zu Verstimmungen, zu Verfeindungen mit dem einen und anderen; Chico Pacheco wurde immer bitterer und sarkastischer. Er schimpfte und schmähte, und seine Verachtung und sein Zorn nahmen bald die gesamte Bevölkerung von Periperi aufs Korn, die Rentner und ihre Frauen, die samt und sonders fanatische Zuhörerinnen der Abenteuer des Kommandanten waren.
    Doch die Wahl Vascos zum Leiter und Paten der Johannisfeier auf Kosten seiner Anwartschaft – das war zu viel. Er versuchte zwar noch Druck auf den Pater auszuüben, indem er ihn an seine früheren Geschenke erinnerte und ihm zusätzlich Schenkungen in Aussicht stellte, sobald er seinen Streitfall gegen den Staat gewonnen habe. Dann aber zog er gegen Hochwürden vom Leder und machte aus ihm einen Liederjan und Opportunisten, was offensichtlich übertrieben war, da Pater Justo nur den Frieden seiner Schäfchen im Sinn hatte, und selbst die hämischsten Klatschmäuler wussten nichts von Schürzen in seinem Leben, mit Ausnahme der Kleinen, die ihm das Pfarrhaus führte und in ihrer sanften, frommen Schönheit fast einer Heiligen glich.
    Angesichts des meistbewunderten Einwohners von Periperi, der fast ebenso viel Achtung genoss wie der alte Marreco und stets begeistert begrüßt wurde, sah Chico Pacheco sich außerstande, eine derartige Demütigung, eine derartige Treulosigkeit zu verschmerzen. Er würde es nicht mit ansehen können, dass der Scharlatan mit seiner dämlichen Fresse eines Posamentierers neben dem undankbaren Pater – der ihm zumindest Kapaun und Wein hätte zurückschicken müssen, wenn er das geringste Ehrgefühl im Leibe hatte – bei den Festdarbietungen von Sankt Johannis den Vorsitz führte. So beschloss er abzureisen. Da er aber ebenso wenig wünschte, dem Feind einen Gefallen zu tun, gab er vor, sein Prozess stehe zur Verhandlung auf der Tagesordnung. Aber nicht einmal mit dieser sensationellen Nachricht vermochte er die ihn umgebende Gleichgültigkeit aufzurütteln, und all das nur wegen eines lächerlichen Schaumschlägers in einem albernen Seemannsrock. So stieg er bei einem sintflutartigen Regenguss auf dem menschenleeren Bahnsteig in den Zug. Versteckt in seiner ohnmächtigen Wut, wirkte er wie ein Flüchtling.
    Wo Dondoca dem Erzähler seelische Hörner aufsetzt
    Ich gestehe, dass die böswillige Hetze, Tochter des Neides und des gekränkten Stolzes, die Chico Pacheco gegen den Kommandanten entfesselt hatte, meine bisher bedingungslose Bewunderung für die unvergleichliche Heldengestalt auch etwas erschütterte. Einige seiner Abenteuer erschienen mir im kritischen Licht des früheren Steuerprüfers reichlich übertrieben. Ich sage das nicht, um ein voreiliges Urteil zu fördern, vielmehr nehme ich hier nur den Standpunkt eines unparteiischen Geschichtsschreibers ein, und wenn ich mich über das Thema äußere, so deshalb, weil die Tatsache, dass die Rentner und Privatiers den Bemerkungen und Beobachtungen Chico Pachecos so geringen Wert beigemessen und dem Kommandanten kritiklos die Stange gehalten haben, mich doch etwas verstimmt hat.
    In einer Forschungsarbeit wie dieser – der ich mich gewidmet habe, um die Zeit totzuschlagen, aber auch, um festzustellen, ob ich mich mit ihr an einem literarisch-historischen Wettbewerb des Staatsarchivs beteiligen kann – in einer Forschungsarbeit also, die versucht, die Wahrheit wiederherzustellen, müssen bestimmte Einzelheiten, wenn nicht der öffentlichen Debatte, so zumindest der Prüfung gehobener Persönlichkeiten unterbreitet werden, die imstande sind, eine maßgebliche Meinung abzugeben.
    Aus diesem Grund habe ich über die Angelegenheit den hochverdienten Herrn Dr. Siqueira befragt, dessen Bedeutung im heutigen Periperi das darstellt, was in der Vergangenheit die Gegenwart des Kommandanten Vasco Moscoso de Aragão war. Der Richter verfügt über umfassende Kenntnisse, kein Zweig des menschlichen Wissens von der Jurisprudenz bis zur Philosophie, von der Volkswirtschaft bis zu den umstrittensten Sexualproblemen entgeht seinem Wissensdurst. Selbst in der Medizin kennt er sich leidlich, um nicht zu sagen weidlich aus, und er ist es, der mit sicherer

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