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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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machen …«
    »Sofort nicht, verzeihen Sie. Zuerst möchte ich den Fall zu Ende erzählen, von dem ich sprach …«, wich Vasco aus, zu seiner unterbrochenen Erzählung Zuflucht nehmend.
    »Lassen Sie doch den Schluss bis nachher«, drängte Chico Pacheco.
    »Er war gerade bei der spannendsten Stelle«, warf Rúi Pessoa ein. »Mir lief’s schon kalt den Rücken runter …«, gestand Zequinha.
    Chico Pacheco warf einen geringschätzigen Blick auf die um Vasco versammelte Schar. Schafsköpfe! Habt ihr nicht den Braten gerochen? Sicherlich wusste der Hochstapler nicht einmal, mit wie viel Karten man spielt, kannte fraglos weder den Wert einer Sequenz noch drei gleicher Karten. Er lächelte hoffnungsvoll. Die Stimme des Kommandanten – leck mich, Kommandant! – tönte wohlklingend bei seinem dramatischen Bericht. Denn schon war der Eisberg nahe daran, das Schiff zu rammen, die Passagiere schrien, die Besatzung verlor den Kopf, als er, dem Rudergänger das Steuerrad entreißend …
    »Während Euer Gnaden zum Schluss kommen, rufe ich inzwischen Augusto Ramos … Wir können doch bei dir zu Haus spielen, nicht wahr, Marreco?«
    »Aber nur, wenn niedrig gespielt wird … Um einen Tostão oder so …«, Marreco musste sich einschränken, da er seine verwitwete, kinderreiche Schwiegertochter in Bahia unterstützte.
    Der Eisberg glitt vorbei, das Schiff kam mit einem Kratzer davon, und Chico Pacheco war bereits auf und davon, um Augusto Ramos und ein Kartenspiel zu holen. Die Hände fest am Ruder, betrachtet Vasco mit siegreicher Miene den Eisberg, der, von der eisigen Strömung getragen, langsam entglitt.
    An Spielkarten war kein Mangel, fast alle legten in den Nachmittagsstunden vor dem Abendschwatz auf dem Stadtplatz Patiencen. Es waren dicke, vom täglichen Gebrauch abgegriffene Karten.
    »Los, Leute, gehen wir rein …«, drängte Chico Pacheco.
    »Kiebitze halten den Schnabel«, warnte Leminhos, denn schon strömten alle herbei, um bei dem Spiel zuzusehen.
    »Ich hatte schon von dieser Eisberg-Geschichte gehört …«
    »Erinnern Sie sich nicht an den Untergang der ›Titanic‹? Die ist doch mit einem solchen Ding zusammengestoßen … Eine sehr gefährliche Sache …«
    Vasco lächelte, er trat näher, nahm das Spiel in die Hand. Chico Pachecos Augen leuchteten, als der Kommandant – du kannst mich mal, Kommandant! – die schmierigen Karten auf den Tisch warf, den Kopf schüttelte und sagte:
    »Mit diesem Spiel? Nein – unmöglich.«
    »Hören Sie, Senhor, seien Sie doch kein Frosch! Für eine kleine Gaudi, um einen Zehner, sind die doch gut genug. Los, setzen wir uns …« Chico Pacheco zog einen Stuhl heran.
    Zequinha Curvelo sah noch immer den Eisberg vor sich:
    »Ich hätte mich ins Wasser geschmissen, wenn so ’n Ding vor meiner Nase aufgetaucht wäre …«
    »Mit diesem Kartenspiel spiele ich nicht, das macht keinen Spaß.«
    »Oder wissen Euer Gnaden vielleicht nicht, wie man Poker spielt?«, triumphierte Chico Pacheco.
    Vasco Moscoso de Aragão blickte ihn mit großen, verwunderten Augen an:
    »Warum sollte ich es nicht wissen?«
    »Wer weiß …«
    Vasco drehte ihm den Rücken, ging flugs hinaus, und Chico schloss:
    »Der Kerl hat nie im Leben Poker spielen sehen. Poker in einem Rettungsboot, wo hat man schon so was gehört? Das Bürschchen glaubt, wir seien total bescheuert … Eine Lüge nach der andern, das geht doch haarscharf zu weit …«
    »Eine Lüge nach der andern?!«
    »Na, hören Sie mal, Seu Leminhos, merken Euer Gnaden denn nicht, wie der Hase läuft? Man braucht ihm doch bloß ein bisschen auf den Zahn zu fühlen, und schon lässt er die Hosen herunter … Haben Sie nicht soeben seine Geschichte vom Pokern gehört? Um Zwieback und Wasser wollen sie gespielt haben – ich schaffe die Karten herbei, die Spieler, und schon kneift der Hund. Und nur, weil das Spiel etwas abgegriffen ist, eine faule Ausrede, weiter nichts. Wo ist der Seemann, und soll’s der erbärmlichste sein, der nicht versessen ist auf ein Spielchen Poker?«
    Zequinha kletterte kälteschlotternd von seinem Eisberg herunter, um seinem Idol zu Hilfe zu eilen:
    »Wer sagt Ihnen, dass er nicht Bescheid weiß?«
    »Lassen Sie uns bloß mit Ihrer Vergötterung für den alten Knaben zufrieden …«
    »Vergötterung, von wegen … Jedenfalls bin ich nicht neidisch …«
    »Und wer wäre das? Neidisch worauf?«
    »Immer mit der Ruhe, Senhores …«, unterbrach Marreco. »Was soll das heißen? Zwei alte

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