Zwei Herzen im Winter
deiner Meinung“, stimmte Matilda ihr zu. „Er sagt, er kann den Gedanken nicht ertragen, dass du ihn verlässt, kann es nicht ertragen, ein Leben ohne dich zu führen. Was soll dieser Unsinn? Er ist doch im Begriff, dich zu heiraten?“
Emmeline ergriff Matildas Hände. „Verstehst du nicht? Er gibt mir die Freiheit, meine Wahl selbst zu treffen.“ Hastig schlüpfte sie in die blauen Seidenschuhe. Ihr schimmerndes offenes Haar umwallte sie wie ein goldener Umhang. Nur an ihrem Hochzeitstag war es einer jungen Frau gestattet, das Haar offen zu tragen. „Ich muss zu ihm … wo finde ich ihn?“
„Er hockt in der Kirche und badet in Selbstmitleid. Gott sei mit dir, Emmeline“, rief Matilda ihr nach, als die Tür ins Schloss fiel.
Auf Talvas’ Geheiß hatte der Priester die Leute wieder weggeschickt. Nun saß der Bräutigam in der leeren Kirche auf der Stufe zum Altar, den Rücken diesem zugewandt, die Ellbogen auf die Knie gestützt und das Gesicht in den Händen vergraben.
„Talvas!“ Der Saum von Emmelines Gewand fegte raschelnd über die Fliesen.
Langsam hob er den Kopf. In seinem prächtigen Festgewand sah er umwerfend aus. Seine dunkelgrüne Tunika war an Ärmeln und Saum mit einem schmalen Silberornament bestickt, darüber trug er einen kastanienbraunen pelzverbrämten Samtumhang. „W…was tust du hier?“ Die Frage kam ihm stockend über die Lippen. „Hat Matilda dir nicht gesagt, dass du frei bist, dass du gehen kannst? Hat sie dir das nicht ausgerichtet?“ Sein Gesicht war von Erschöpfung und Anspannung gezeichnet.
„Aber ich will nicht gehen, Talvas. Ich will bei dir bleiben.“ Sie setzte sich neben ihn auf die Altarstufe.
„Ich habe einen Fehler gemacht, Emmeline“, er drehte sich ihr zu, „den ich zutiefst bereue.“ Andächtig berührte er ihr schimmerndes Haar, das bis zum Steinboden reichte. „Ich darf dich nicht zur Ehe zwingen.“ Er presste die Worte mühsam hervor. „Es ist dein Recht, deine eigene Entscheidung zu treffen. Aber diese Entscheidung wurde dir genommen, sobald du erkanntest, dass du unser Kind erwartest.“
Unser Kind. In seinen Worten lag eine beglückende Gemeinsamkeit. Sein Blick senkte sich tief in ihre Augen.
„Du überlässt also mir die Entscheidung?“, fragte sie vorsichtig. Sie strich sanft über seine hagere Wange. Er drehte das Gesicht in ihre Handfläche.
„Ja“, antwortete er heiser, kaum noch der Stimme mächtig. „Und ich beuge mich deinem Willen.“
Ein Wonneschauer durchrieselte sie, als seine Lippen ihre Handfläche streiften. „Glaubst du wirklich, ich wäre fähig gewesen, dich zu verlassen – selbst wenn wir kein Kind bekommen würden?“ Eine steile Falte bildete sich auf ihrer glatten Stirn, als sie ihm zärtlich eine schwarze Locke aus der Stirn strich. „Nach Giffard war ich der festen Überzeugung, dass mir die wahre Liebe nie begegnen würde, dass ich nie wieder Vertrauen zu einem Mann haben könnte. Aber du hast mich eines Besseren belehrt, Talvas, mit jedem Blick, jeder Geste. Du hast mir die wahre Liebe gezeigt.“
Seine Miene erhellte sich, seine Augen strahlten, und Emmeline sank an seine Brust, unendlich erleichtert, ihr Geständnis über die Lippen gebracht zu haben. Er schlang die Arme um sie, seine Hände streichelten über ihren Rücken. Er schluckte, die Kehle war ihm trocken geworden. „Dann willst du bei mir auf Hawkeshayne bleiben?“
Sie strich über den stolzen Schwung seiner Augenbrauen, ihre Blicke verschmolzen miteinander.
„Sag es mir“, drängte er, fiebernd vor Ungeduld.
Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, verwundert spürte sie sein leises Beben unter ihren Händen.„Ja, Talvas, ich bleibe für immer bei dir.“
Er lachte, ein jungenhaftes glückliches Lachen, sprang auf, zog sie mit sich, hob sie in seine Arme und besiegelte ihr Versprechen mit einem innigen Kuss, der die Liebenden bis ans Ende ihrer Tage miteinander verband.
–ENDE –
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