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Zwei Herzen im Winter

Zwei Herzen im Winter

Titel: Zwei Herzen im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MERIEL FULLER
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wurde. Drei Männer waren nötig, um die Jutesäcke, in denen die Stoffballen verpackt waren, einen nach dem anderen aus dem Kahn zu hieven und auf einen wartenden Ochsenkarren zu laden.
    „Und deshalb hast du die leeren Weinfässer auseinandernehmen lassen, Geoffrey, sonst hätte der Frachtraum nicht ausgereicht.“
    „Auch für diese Kosten komme ich auf.“
    Emmeline nickte zustimmend. In ihrer augenblicklichen Situation konnte sie es sich nicht leisten, die Fässer auf ihre Kosten wieder zusammensetzen zu lassen; eine mühselige Arbeit für einen Fassbauer, für die normalerweise der Schiffseigner aufkommen musste.
    „Augenblick, ich habe etwas für dich, Emmeline . “ Geoffrey strahlte übers ganze wettergegerbte Gesicht. „Einen Brief von deiner Schwester.“
    Emmeline nagte an ihrer Unterlippe, während Geoffrey im Lederbeutel an seinem Gürtel kramte. Sie konnte kaum glauben, dass ihre ältere Schwester sich meldete. Nachdem Sylvie an der Seite eines Edelmannes ein neues Leben in England begonnen hatte, wollte sie offenbar jede Verbindung zu ihrer Vergangenheit abbrechen. Die spärlichen Nachrichten, die Emmeline anfänglich noch von ihr erhalten hatte, berichteten von Reichtum, riesigen Ländereien und Burgen sowie der fürsorglichen Zuneigung ihres Gemahls Lord Edgar. Nachdem die kleine Rose gestorben war, hatte Emmeline sich für das kaltherzige Verhalten ihrer Schwester geschämt, doch mittlerweile waren ihre Gefühle zu gleichgültiger Resignation abgeflaut.
    Geoffrey reichte ihr ein zusammengerolltes Pergament, das Emmeline mit zitternden Fingern an sich nahm. Danach löste sie das rote Band und entrollte das Papier. Sie hielt das im Wind flatternde Blatt oben und unten fest und überflog den Inhalt. Beim Lesen der hingekritzelten Worte wurde ihr kalt ums Herz: Ich lebe in ständiger Angst. Bitte komm und hilf mir. Ich habe einen schrecklichen Fehler ge macht. Verzeih.
    Emmeline schloss die Augen.
    Die krakeligen und hastig hingeworfenen Buchstaben tanzten vor ihrem inneren Auge: Es war ein in großer Eile und Verzweiflung verfasster Hilferuf. Was für ein Unterschied zu ihrer letzten Begegnung mit Sylvie, die in einem kostbar bestickten Gewand auf der Schwelle des bescheidenen strohgedeckten Hauses in Barfleur gestanden hatte. Eine stolze und schöne Frau, die sich nicht darum kümmerte, was ihre Familie von ihr hielt, in deren Obhut sie ihr Töchterchen Rose gab, ohne eine Gefühlsregung zu zeigen. Sie hatte sich so sehr nach einem sorglosen Leben in Luxus und Wohlstand gesehnt und duldete nicht, dass ihr jemand dabei im Wege stand.
    „Da stimmt etwas nicht“, sagte Emmeline gedehnt und wandte sich verstört an Geoffrey.
    „Keine schlechten Nachrichten, will ich hoffen?“ Geoffrey musterte Emmelines bekümmerte Miene.
    „Meine Schwester ist in Nöten“, antwortete sie beklommen. „Wann hast du sie gesehen?“
    „Mir wurde die Ehre zuteil, eine Nacht auf Waldeath zu verbringen, als Gast deiner Schwester und ihres Gemahls Lord Edgar.“
    „Wie geht es ihr? Ist sie wohlauf?“
    Geoffrey breitete die Hände aus, ohne recht zu wissen, was er antworten sollte. „Sie wirkte ein wenig flatterig, aber …“
    „So war sie schon immer“,beendete Emmeline seinen Satz mit einem dünnen Lächeln. Sylvies reizbares launisches Wesen war natürlich auch Geoffrey nicht fremd. „Vielen Dank für den Brief.“ Sie verstaute das knisternde Pergament in dem bestickten Beutel an ihrem Gürtel. Ein merkwürdiges Gefühl drohenden Unheils beschlich sie, während sie Überlegungen anstellte, wie sie Sylvie erreichen konnte.
    „Ich würde mir keine allzu großen Sorgen machen, Emmeline.“ Geoffrey tätschelte ihr beschwichtigend den Arm.„Ihr Gemahl scheint ihr sehr zugetan zu sein, hatte ich jedenfalls den Eindruck.“
    „Falls die Belle Saumur vor Einsetzen der Winterstürme eine letzte Überfahrt schafft, besuche ich sie in England“, sagte Emmeline entschlossen. Aber Geoffrey hörte ihr nicht mehr zu. Sein Blick war über ihre Schulter gerichtet, und seine Miene hellte sich wieder auf. Auf dem Steg näherte sich eine junge Frau mit drei bunt gekleideten kleinen Kindern, deren helle Stimmen sich mit dem Kreischen der tief kreisenden Seemöwen mischten.
    „Ah, sieh an! Marie und die Kleinen!“ Geoffrey strahlte beim Anblick seiner Familie. Auch Emmeline lächelte ihrer Freundin entgegen. Marie war annähernd so groß wie ihr Ehemann und bewegte sich in anmutiger Grazie, obwohl drei Kinder an ihren

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