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Zwei Jahre Ferien

Zwei Jahre Ferien

Titel: Zwei Jahre Ferien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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die Hände, und doch quollen noch immer schmerzliche Seufzer aus dessen Brust. Jetzt wußte man also, warum dieses Kind – sonst der lustigste, aber auch der muthwilligste Zögling der Pension Chairman – hier so traurig geworden war und sich immer abseits zu halten suchte… Dann hatte man gesehen, wie Jacques, wohl auf Verlangen seines Bruders, aber noch mehr aus eigenem Entschlusse, stets mit seiner Person voraus wollte, wo es sich um Bestehung einer Gefahr handelte… Und noch immer glaubte er hierin nicht genug gethan zu haben!… Er verlangte, sich für die Andern aufopfern zu dürfen. Als er die Sprache wieder gefunden, sagte er nur:
    »Ihr seht also, mir kommt es zu… mir ganz allein… mit hinauszufahren. Nicht wahr, Briant?
    – Gut, Jacques, schon gut!« wiederholte sein Bruder, der ihn innig in die Arme schloß.
    Gegenüber dem Geständnisse, das Jacques eben abgelegt, gegenüber dem von ihm geforderten Recht versuchten Doniphan und die Andern vergebens Einspruch zu erheben. Es blieb nichts übrig, als ihm zuzugestehen, sich dem Winde, der etwas Neigung zum Auffrischen zeigte, anzuvertrauen.
    Jacques drückte seinen Kameraden dankbar die Hand. Schon bereit, in dem von dem Erdsacke befreiten Korbe Platz zu nehmen, wandte er sich noch einmal an Briant zurück. Dieser stand regungslos einige Schritte hinter der Winde.
    »Laß mich Dich umarmen, Bruder! sagte Jacques.
    – Ja… umarme mich! antwortete Briant, seine Erregung mit Mühe bemeisternd. Oder vielmehr… ich will Dich umarmen… denn ich… ich werde mit auffahren!…
    – Du?… rief Jacques.
    – Du?… Du?… wiederholten Doniphan und Service.
    – Ja… ich! Ob Jacques’ Vergehen durch ihn oder durch seinen Bruder wettgemacht wird, ändert doch nichts. Als mir übrigens der Gedanke zu diesem Unternehmen kam, habt Ihr jemals glauben können, ich hätte die Absicht gehabt, es einen Andern ausführen zu lassen?…
    – Liebster Bruder, bat Jacques, ich flehe Dich darum an!…
    – Nein, Jacques!
    – Dann, sagte Doniphan, überlaß mir die Ausführung.
    – Nein, Doniphan, entgegnete Briant mit einem jeden Widerspruch ausschließenden Tone. Nur ich selbst werde mit aufsteigen. Ich will es!
    – Das wußt’ ich von Dir im Voraus, Briant!« sagte Gordon, indem er die Hand des Kameraden in der seinen preßte.
    Bei diesen Worten war Briant schon in den Nachen gestiegen, und als er ordentlich Platz genommen, gab er Befehl, den Drachen aufzurichten.
    Der sich unter dem Drucke des Windes neigende Apparat stieg zuerst langsam empor; darauf ließen Baxter, Wilcox, Croß und Service, welche an der Winde standen, mehr Schnur ablaufen, während Garnett, der den Signalbindfaden in der Hand hielt, diesen nachgleiten ließ.
    Binnen zehn Secunden war der »Riese der Lüfte« im Halbdunkel verschwunden, aber nicht unter dem lauten Hurrahrufen, wie es seinen ersten Steigeversuch begleitet, sondern jetzt unter tiefem Stillschweigen.
    Das unerschrockene Oberhaupt der kleinen Welt, der edelmüthige Briant, war mit ihm verschwunden.
    Der Apparat erhob sich inzwischen regelmäßig, doch langsam. Die Gleichmäßigkeit der Brise sicherte ihm ein vollkommenes Gleichgewicht, so daß er kaum von einer Seite zur andern schwankte. Briant empfand also keine jener Oscillationen, die seine Lage sehr gefahrvoll gemacht hätten. Er hielt sich auch selbst unbeweglich und hatte mit beiden Händen die Aufhängeleine der eigenthümlichen Gondel fest gepackt, welche kaum eine leichte Schaukelbewegung machte; doch welche seltsame Empfindungen erfüllten Briant zuerst, als er sich an dieser großen geneigten Leinenfläche im Luftraume schweben sah und der Drache über ihm unter dem Drucke des Windes leise erzitterte. Es kam ihm vor, als sei er von einem phantastischen Raubvogel entführt worden oder als klammere er sich vielmehr an die Flügel einer ungeheueren Fledermaus. Dank der Energie seines Charakters gelang es ihm, die Kaltblütigkeit zu bewahren, welche sein Unternehmen erforderte.
    Zehn Minuten, nachdem der Drache den Boden der Sport-terrace verlassen, verrieth ein schwacher Ruck, daß seine Aufwärtsbewegung beendet sei. An’s Ende der Schnur gelangt, stieg er aber noch ein wenig auf, dieses Mal freilich nicht ohne einige Stöße. Die in lothrechter Linie erreichte Höhe mochte zwischen sechshundert und siebenhundert Fuß betragen.
    Briant, der völlig ruhig war, ergriff zuerst den an der Kugel befestigten Bindfaden und begann nachher seine Beobachtungen. Mit einer Hand

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