Zwei Neue auf Burg Schreckenstein
Fräulein Dr. Horn entgegen. „Hätten Sie vielleicht die Freundlichkeit, mir ein Schnapsgläschen aus meinem Zimmer zu holen und für sich auch eins!“ Und sie deutete auf die Ballonflasche. „Wir haben nämlich etwas geschenkt bekommen, was uns im Grunde gehört.“
Sonja machte ein verdutztes Gesicht, ging aber und brachte zwei Schnapsgläser. Während Dampfwalze ungeschickt einschenkte, erklärte die Direktorin ihrer Lehrerin, was geschehen war.
„Mmh!“ Sonja schnupperte in die Alkoholwolke. Dampfwalze war mit dem Verschütten nicht kleinlich gewesen.
„Dann wollen wir unseren Rosenfelser einmal kosten!“ sagte Fräulein Dr. Horn und prostete Sonja zu. Beide nippten nur, aber sie hatten sichtlich nach Luft zu schnappen.
„Sappristi!“ hauchte die Direktorin. „Hoffentlich hat Beni keine Alkoholvergiftung!“
„Davon bin ich überzeugt“, antwortete Sonja. „Mein Vater würde sagen: Es gibt eine eiserne Regel bei den Rittern. Ihre Streiche sind immer so, dass niemand zu Schaden kommt.“
Ottokar, Stefan, Andi, Mücke, wechselten stumme Blicke mit Sonja, während Fräulein Dr. Horn versonnen in ihr Glas schaute und wieder und wieder nippte. „So gut hat mir unser Obst noch nie geschmeckt!“ sagte sie schließlich. „Dieser Beni ist ein Fachmann. Wollen wir ihm wünschen, dass die Kur gut anschlägt. Dann werden wir weitersehen. Vorher kann ich nichts versprechen. Prost, ihr lieben Jungen.“
Ritter jetzt als Bauarbeiter?
Eigentlich ohne ersichtlichen Grund war die Ritterschaft aufgebracht und redete sich die Köpfe heiß, wie schon lange nicht mehr. Die einen hielten es mit dem „Gremium der Kur-Arzte“, das seinen Streich als die natürliche Folge von Benis Verhalten betrachtete: Er hatte sich aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, und die Ritter hatten ihn daran erinnert, dass auf Schreckenstein jeder seinen Interessen nachgehen könne, dass aber letzten Endes die Gemeinschaft vorgehe. Besonders im Auftreten nach außen. Sie betrachteten den Konsum von Tabak und Alkohol nun mal als schlapp, albern und verweigerten ihn freiwillig.
Wenn ein Ritter öffentlich qualmte und gluckerte, machte er alle anderen unglaubwürdig.
Eine zweite Gruppe, zu der Pummel, Eugen, Fritz und Werner gehörten, hielt zu Jerry, der klipp und klar sagte, jeder müsse so leben dürfen, wie er es für richtig halte. Keine Gemeinschaft habe das Recht, ihm diese Freiheit mit sturen Vorschriften einzuengen. Genau das sei nämlich der Grund, warum Benis Vater das Sorgerecht für Beni und Martina entzogen worden sei. Weil er mit Gewalt versucht habe, seinen Willen durchzusetzen. Die sogenannte „Kur“ sei nichts anderes als Gewalt.
Eine dritte Gruppe mit Mini-Ritter Eberhard, dem kleinen Kuno, dem kleinen Herbert und dem kleinen Egon fand beides gleichermaßen wichtig: persönliche Freiheit und Gemeinschaft. Das bedeute gewisse Einschränkungen. Der einzelne dürfe nicht die Gemeinschaft tyrannisieren, ebenso nicht die Gemeinschaft den einzelnen. Die „Kur“ sei auch eine Warnung und mit den Ohrfeigen von Benis Vater überhaupt nicht zu vergleichen. Die Ritterschaft hätte Beni ja „fliegen“ lassen können. Statt dessen sei sie für ihn eingetreten. Sie habe ihm einen Denkzettel verpasst, aber ihm eine Chance gegeben. Jetzt müsse man abwarten, was Beni selber dazu sagt.
Eine vierte Gruppe schließlich mit Klaus, Walter und Dieter fand, die ganze Beni-Geschichte sei nur die Fortsetzung des noch nicht beigelegten Streits zwischen Ottokar und Jerry wegen der missglückten Staffel. Da habe sich Jerry nach Ottokars Meinung nicht genügend für Schreckenstein eingesetzt. Und das sei auch ihre Meinung.
Noch etwas blass um die Nase zeigte sich um den Mittag des dritten Tages der Kronzeuge. Beni erschien im Esssaal und futterte mit großem Appetit. Die Tischordnung brachte es mit sich, dass zufällig von jeder Gruppe einer in seiner Nähe saß, jeder maßlos neugierig.
Was dachte Beni? Was würde er sagen? Sollte man ihn direkt fragen? Jetzt oder später allein?
Also wurde zuerst einmal ausgiebig geflachst. „Unserem Kurgast schmeckt es ja wieder. Erfreulich, erfreulich“, sagte Mücke. Pummel lobte den Himbeersaft, den er jedem Alkohol vorziehe.
„Was sagt denn der Arzt?“ wollte Mini-Ritter Eberhard wissen.
„Oder haben sie dich nur mit Rizinus kuriert?“
Und Witzbold Klaus endlich meinte, es sei doch sehr viel vernünftiger, beispielsweise im Prinzengarten Tabak anzubauen, als in
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