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Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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so eine Weile nachgedacht hatte, fiel mir auch das Frühstük ein, und daß ich dabei zu erscheinen hätte. Ich nahm daher ein Tuch, und verwischte so viel als möglich die Spuren des heutigen Morgenspazierganges an meinen Kleidern, ordnete meine Haare vor einem Spiegel, und erwartete so gerüstet die Ankunft der Amme.
    Sie ließ nicht gar lange warten. Das alte Mütterlein mit dem Bilderangesichte, das also, wie ich bereits wußte, die Amme war, kam nach ehrerbiethigem Klopfen zu mir herein, und sagte, sie habe den Auftrag, den Herrn in die Speisestube zu führen.
    Ich folgte ihr, sie führte mich eine Treppe hinab, dann durch einen langen Gang, öffnete hierauf den Flügel einer hohen Thür, und sagte, ich solle eintreten.
    Ich trat ein. Das Gemach war ein ziemlich hoher Saal, dessen Fußboden mit schönem verschiedenfarbigem Marmor belegt war. Die Wände hatten hohe Fenster, sie hatten einige nicht unbedeutende Wandgemälde, sonst aber nichts Auffallendes. In der Mitte des Saales stand der gedekte Tisch, mit den verschiedenen Geräthen und Speisen eines Frühstükes versehen. An der obern Seite des Tisches in einem wohlgepolsterten und fast thronartigen Sessel saß eine ältliche Frau, deren Züge einstige und vielleicht große Schönheit verriethen. Sie war in reines Weiß gekleidet, und die gefaltete Krause der Haube lief schön um die feinen lieblichen aber verblühten Züge des Antlizes. Ihre noch schönen Hände, die mit dem einzigen einfachen Goldreife der Ehe geziert waren, gingen aus dem Weiß der weiten Aermel hervor. Neben dieser Frau saß ein junges sehr schönes Mädchen, ebenfalls in völliges Weiß gekleidet. Es hatte dieselben Züge wie meine Begleiterin, nur viel zarter und lichter gefärbt. Auf der andern Seite saß mein Reisefreund in seinem gewöhnlichen Schwarz. Meine Morgenbegleiterin war noch nicht da.
    Als ich eingetreten war, standen alle auf. Mein Reisefreund ging mir entgegen, nahm mich an der Hand, führte mich zu der Frau, und sagte, indem er meinen Namen nannte: »Diese ist meine vielgeliebte Gattin Victoria, die mir schon durch eine Reihe von Jahren die Bürde des Lebens tragen hilft. Bleibe nur auf deinem Size, Victoria, mein Freund soll nicht wie ein Fremder behandelt werden.«
    »Seid mir recht vielmal und aufrichtig in unserem Hause willkommen,« sagte sie, »bleibt lange bei uns, und seid wie ein Glied unserer Familie; denn ihr seid einmal mit meinem Gatten sehr gut gewesen, und das vergessen wir, wenigstens in unserer Familie, nie.«
    Nach diesen Worten, die sie in sehr schönem Deutsch gesprochen hatte, verbeugte sie sich, und sezte sich wieder in ihren Sessel nieder.
    »Diese ist mein liebes Kind Camilla,« sagte mein Freund, indem er mich dem jungen Mädchen vorstellte.
    Das Mädchen neigte sich sehr sittsam, und erröthete ein wenig; es öffnete aber den Mund nicht, um etwas zu reden. Ich verneigte mich, und schwieg ebenfalls.
    »Die zweite von den Schwestern ist noch nicht da,« sagte mein Reisefreund.
    In diesem Augenblike öffnete sich die Thür, und meine Morgenbegleiterin trat ein. Sie war völlig umgekleidet, und hatte ein langes eben so schönes weißes Kleid an, wie die andere.
    »Diese ist meine zweite Tochter, Maria,« sagte mein Freund, indem er die Hand gegen das näher kommende Mädchen strekte, »ein anderes Kind haben wir nicht mehr, diese zwei schließen den Kreis unserer Familie.«
    »Vater, ich kenne unsern Gast schon,« antwortete das Mädchen, »wir sind heute Morgens mit einander in dem Garten
    herum gegangen.«
    »Also hast du ihn schon herum geführt, und ihm vielleicht seine Morgenzeit genommen,« sagte der Vater.
    »Wenn er zu Hause auch solche Dinge hat, so müssen ihn ja diese hier freuen, wenn sie gleich den seinen nachstehen,« antwortete Maria.
    »Sie freuten mich in der That,« sagte ich, »und ich hätte meinen Morgen nicht besser und angenehmer zubringen können. Uibrigens, wenn Sie glauben, daß meine Gewächse zu Hause schöner seien, als die Ihrigen hier, so irren Sie sehr; sie sind nicht nur nicht schöner, sondern es wird überhaupt nicht viele so schöne geben.«
    »Das kann dich freuen, Maria,« sagte der Vater.
    Das Mädchen wurde bei dieser Rede purpurroth, viel röther, als es sich aus diesem Anlasse hätte ergeben sollen. Die andern sahen freundlich, und wir sezten uns zu dem Frühstüke nieder.
    »Verzeiht, daß wir euch nicht schon gestern empfangen haben,« sagte die Mutter, »aber wir haben von eurer Ankunft nichts gewußt.

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