Zwei Schwestern
einem Stoffe, der, wenn er beschmuzt wird, leicht zu reinigen ist. An den Füssen hatte sie zwar schlanke, aber feste und weit hinauf reichende Stiefelchen an.
Ich sagte, daß mir ihr Antrag großes Vergnügen mache, und daß ich sofort bereit sei.
Ich nahm meinen Hut, wir verließen das Zimmer und gingen die Treppen hinab.
Als wir in die Halle gekommen waren, in der gestern das Mütterlein die Lampe angezündet hatte, sagte sie, ich solle ein wenig warten, sie habe noch etwas zu thun. Sie ging in eine ebenerdige Stube hinein, und ich hörte sie dort reden.
Sie sprach immer in schönem reinem Deutsch, und ich hatte schon in meinem Zimmer gesehen, daß, wenn sie die sehr gut gefärbten Lippen aufthat, zwei Reihen sehr schöner und gesunder Zähne zum Vorscheine kamen.
Als sie aus der Stube heraus trat, nahm sie einen Strohhut, der an einem Nagel in der Halle hing, herab, sezte ihn auf, und sagte: »Nun bin ich in Bereitschaft, kommen Sie.«
Wir gingen aus der Halle in den Garten. Was ich zum Theile schon von ihm gesehen hatte, bestättigte sich in ganzem Umfange. Er war durchaus ein Nuzgarten, sehr viele Obstbäume, theils Zwerg- und Lattenobst, theils hohe reiche Stämme, standen auf dem Raume umher, und hatten die Blumen, und eine große Menge verschiedener Gemüse unter sich. Da wir uns etwas weiter entfernt hatten, sah ich auch, was ich schon fast vermuthet hatte, daß wirklich da keine Ortschaft liege, sondern daß dieses Haus das einzige sei, das sich mit seinen Anlagen in dem Thale der Hochebene befinde. Gegen Norden, wohin ich früher keinen Blik gehabt hatte, zeigte sich in geringer Entfernung eine bedeutende Felsenmauer, welche das ganze Anwesen vor kalten Winden schüzte. Das Haus, welches ich nun auch übersah, hatte zwei Stokwerke, war nicht zu weitläufig und nicht zu klein, und war von einigen Wirthschaftsgebäuden umgeben, die offenbar erst in neuerer Zeit gebaut worden waren. Die Mauern des Hauses waren glänzend weiß übertüncht. Meine Begleiterin schien diese meine schnellen Blike auf die Lage des Ganzen nicht zu bemerken, weil ihr selber ja alles längst bekannt und geläufig war. Sie ging voraus, so lange der Weg enge war, wies auf verschiedene Dinge und sprach über sie.
Als ich ihr meine Bemerkung mittheilte, daß hier die Blumen nach Gattungen bei einander stehen, sagte sie: »Die Pflanzen sind in ihren Bedürfnissen äußerst verschieden, daher kann man nicht jeder Gattung geben, was ihr noth thut, wenn alle unter einander stehen. Ich sezte sie daher allein, daß ich jede genau nach ihrer Art pflegen kann. Seit wir die Pflanzen verkaufen, ist es natürlich um so mehr nothwendig, daß die einzelnen Gattungen sehr schön seien.«
»Also haben Sie selber alle diese Pflanzen gesezt?« fragte ich.
»Nicht gerade ich selber,« antwortete sie, »aber mit Beihülfe der Leute, die zu dieser Beschäftigung aufgenommen worden sind. Es ist sehr schön, wenn man den Dingen die ihnen zugeartete Erde geben kann, wenn man sie nach ihrem Begehren feucht oder troken halten, und ihnen nach Wunsch Licht und Schatten ertheilen kann. Dann sind sie auch dankbar, und werden so schön, wie man es vorher kaum geahnt hatte. Sehen Sie einmal.«
Mit diesen Worten beugte sie sich nieder, und fuhr mit der Hand über einen sehr dunkeln Wald von Ranunkeln. Ich hatte wirklich nie diese stämmigen, festen, hohen und dunkeln Ranunkelblätter gesehen. Ich sagte es ihr.
»Nicht wahr?« erwiederte sie, und hatte ihre Freude darüber.
Dann zeigte sie mir auch ihre Nelken, Levkojen, Rosen und anderes; sie zeigte mir ihre Tulpenbeete, und die, wo sie die Hiazinthen aus Samen ziehe.
»Ich habe,« sagte sie, »wenn ihnen die Zeiten ganz besonders günstig waren, schönere Zwiebeln bekommen, als die sind, die man aus Harlem bezieht.«
Dann gingen wir um eine Eke zu den Gewächshäusern. Sie waren sonderbarer Weise sehr viele, und meistens kleine, in deren einzelnen immer die zusammengehörigen Gattungen standen. Ich mußte mich fast büken, da ich durch die gläsernen Kästchen ging. Auch hier waren die einzelnen Pflanzen sehr schön. Auf meine Bemerkung, daß größtentheils Modegewächse da stünden, wie ich sie jezt gar so viel auf meiner Reise gesehen hätte, antwortete sie: »Ich habe Ihnen ja gesagt, daß wir die Pflanzen verkaufen, ich zöge sie freilich lieber nach meinem Herzen, aber zu unserem Zweke müssen wir solche haben, die die Leute wollen. Die Leute sind aber auch sehr gütig, und nehmen unsere Waare
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