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Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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gerne. Wir haben mehrere Esel, wovon täglich einige mit Ladung nach Sanct Gustav hinab gehen, und von dort an den See, wo die Sachen dann von verschiedenen Händlern weiter verführt werden. Sie würden gewiß in mancher Uferstadt von unserem Obste essen, wenn Sie zur Zeit der hiesigen Reife dort wären. Aber es geht auch noch weiter hinab, es geht bis dorthin, wo sie viel bessern Boden haben, als wir hier; aber bei uns in den Steinen wird das Obst kräftiger, und es kommt nur darauf an, daß man die gehörige Sorge darauf verwende.«
    Da sie so von dem Obste sprach, und ich auf die Bäume sah, und an jedem ein Blechtäfelchen bemerkte, auf dem die Art geschrieben war, da ich überhaupt die Reinlichkeit und gute Haltung der Bäume sah, fragte ich sie, ob sie auch über die Bäume, so wie über die kleineren Gewächse die Oberaufsicht führe.
    »Freilich,« sagte sie, »ich habe ja die jüngeren alle mit Hülfe unserer Leute gesezt.«
    »Das ist ja nicht möglich,« antwortete ich, indem ich ihr in das Angesicht sah.
    »Sie halten mich wahrscheinlich für viel zu jung,« sagte sie, »ich bin jezt fünf und zwanzig Jahre alt. Vor etwas mehr als sechs Jahren haben wir die Stämmchen gesezt. Sie gedeihen vortrefflich. Die älteren sind noch von dem Urgroßvater her. Vor mehreren Menschenaltern glaubte man allgemein, daß diese Gegend durchaus nicht im Stande sei, Bäume zu tragen; aber es ist nicht wahr, wenn man nur beim Sezen recht tiefe und große Gruben lokert.«
    »Aber,« sagte ich, »wo haben Sie denn die Kenntnisse hergenommen, die man, wie ich zu meinem Schaden recht gut weiß, zu diesen Dingen unumgänglich braucht?«
    »Wo?« antwortete sie, »aus Büchern. Das sah ich wohl ein, daß ich aus mir selber nichts wisse. Wo sollte ich nun die Kenntnisse finden, als in Büchern, in denen sie stehen. Ich kaufte und lieh mir dieselben zusammen, und lernte. Freilich ist mir hier ein Freund an die Hand gegangen, der mir die Wahl erleichterte, und mich wohl selber oft unterrichtete. Er hat in der Nähe ein großes Besizthum und ist jezt verreist. Da er täglich zurük kommen soll, so können Sie ihn kennen lernen, wenn Sie sich länger aufhalten, er ist eine vortrefflicher außerordentlicher Mensch. Er kömmt, wenn es seine Geschäfte ein wenig zulassen, zu öfteren Zeiten zu uns herauf. Ich weiß nicht genau, woher ich mehr lernte, aus den Büchern oder aus seinem Unterrichte. Uibrigens hoffe ich schon nach und nach noch mehr zu lernen, was ich brauche.«
    Wir waren während dieses Gespräches unter den Bäumen in einem großen Bogen herum gegangen, und waren allgemach in die nördliche Gegend des Hauses gekommen, wo der Garten mehr den Anblik eines Vergnügungsplazes gewann. Es war eine Kreisfläche von gestreutem Sande da, in deren Mitte ein Wasserbeken ruhte, das zwar den Stift, nicht aber den Strahl eines Springbrunnens hatte - es war eine gezimmerte Laube da, in der man essen, oder sonst sich versammeln konnte, und es war in einiger Entfernung ein Kastanienwäldchen aus alten Bäumen, in deren Schatten man sich erfrischen konnte.
    Wir gingen quer über die Sandfläche hin.
    »Die Schwester hat wieder den Springbrunnen stehen gelassen,« sagte meine Begleiterin, ging gegen das Beken, schürzte den Arm auf, kniete auf den Steinrand, beugte sich vor, und öffnete mit der Hand den Hahn, der an der messingenen Spize des Springbrunnenrohres angebracht war. Das zurükgehaltene Wasser schoß in einem mächtigen Strahle empor.
    »Sehen Sie, wie das prächtig ist,« sagte sie, nachdem sie aufgestanden war, sich die Hand abgewischt hatte, und wieder zu mir zurük gekommen war.
    Wir gingen hierauf durch die Anlagen bis in das Freie hinaus, woselbst, wie ich schon früher bemerkt hatte, auch noch Bäume zwischen den Steinen auf ihren gelokerten Pläzen standen. Meine Begleiterin ging mit ihren Stiefelchen, ohne weiter darauf zu achten, durch das thauige Gras. Als wir bis zu einer Stelle gekommen waren, wo wieder eine leichte Mauer von losen zusammen gelesenen Steinen lag, und wo man recht schön gegen die Felsenwand hinsehen konnte, die gegen Norden den Gesichtskreis schloß, blieb sie stehen, und sagte: »Hier ist die Grenze unseres Besizthumes. Nur eine Kleinigkeit haben wir noch dort an dem Felsen, wo Sie den Rauch aufsteigen sehen; wir haben den dortigen Grund angeschafft, weil er zu den Erdbrennereien so geeignet ist. Das ganze Anwesen ist klein, ich habe Ihnen alles gezeigt. Es ist nichts mehr übrig. Es wurde bisher

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