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Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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an ihr, sondern sie versteht, empfindet und erschafft das Gespielte. Aber auch so wollte ein Mitleid, und zwar noch ein innigeres, meine Seele um sie beschleichen. Wenn sie sehr oft in solchen heißen Gefühlen ist, so wird ihr Leben darunter ermatten, und ihre Zukunft gefährdet sein. Dies ist jederzeit der Fall, und wenn die Selbstschöpfungen gar gewaltig aus dem noch jungen weichen und hülflosen Herzen kommen, so muß dasselbe gleichsam wie in einem Samum welk werden. Aber, dachte ich wieder, sie wird schon stark und frei sein, daß sie das Gefühl ihrer Kunst ertragen kann, daß sie auch die anderen Dinge der Welt sieht, und mit gesunden Augen durch das Leben geht. Oder vielleicht wird sie durch die Wiederholung und durch die Bekanntschaft mit ihren Wirkungen weniger angegriffen, als wir, die wir von der Neuheit und von der Plözlichkeit getroffen werden. Aber der Künstler kann andererseits nur allein die zarten Tiefen des Kunstwerkes, in das er sich versenkt, ergründen, und muß ihnen die Seele hingeben: während wir blos von der Allgemeinheit der Sache überkommen werden, und nur die Allgemeinheit des Gefühles mit nach Hause tragen.
    Wer kann das wissen und wer kann das ergrübeln?
    Unter diesen Gedanken war nach und nach der Schlummer, dessen ich heute so bedurfte, über mich gekommen. Ich löschte mein Licht aus, und in wenigen Augenbliken waren beide Welten, die äußere und die meiner Gedanken, verschwunden.
    Als ich am anderen Tage viel später als gewöhnlich, weil ich spät einschlief, erwachte, als ich mich angekleidet hatte, in den Speisesaal hinunter gegangen war, und um meinen Nachbar, an dessen Thür ich ein Vorlegschloß gesehen hatte, gefragt hatte, hieß es, daß er sehr früh ausgegangen war, ohne eine Nachricht hinterlassen zu haben, wann er wieder kommen werde. Ich ging nun ebenfalls an meine Geschäfte und kam nicht eher, als um die gewöhnliche Speisestunde nach Hause. Da ich in den Saal trat, sah ich ihn schon an unserem Tische sizen, und sezte mich zu ihm. Es waren mehrere Menschen an dem Tische, die gewöhnlich um diese Stunde zu kommen pflegten; mein Nachbar erwähnte des gestrigen Tages nicht. Als wir nach Tische, wie häufig, einige Minuten in unseren Zimmern allein waren, sagte er auch nichts, und ich, meinem Vorsaze getreu, schwieg ebenfalls.
    Nach diesem Ereignisse ging ich noch öfters, um die Geschwister Milanollo zu hören. Ich habe aber meinen Nachbar nie dazu eingeladen, und er hatte mich in jener Zeit auch nie gefragt, wo ich gewesen sei. Von den beiden Mädchen war zwischen uns nicht mehr die Rede.
    Er lebte so stille und einfach fort, er war gefällig und zuvorkommend, wenn auch schweigsam und versunken. Ich bereute es in meiner Zartfühligkeit, daß ich ihn einmal schlechtweg blos seines schwarzen Frakes und seiner blassen Gesichtsfarbe halber Paganini geheißen habe. Ich nahm mir mit festem Ernste vor, nie mehr einem Menschen auf Gerathewohl einen Spottnamen zu geben, weil ich mit ihm später besser bekannt werden und einsehen konnte, wie wenig er ihn verdiene.
    Wir blieben noch immer in unserem Gasthofe. Er ging alle Tage unverdrossen, und wie es mir schien, immer eifriger seinen Geschäften nach. Mein Bittgesuch, so langsam es sich auch förderte, ging doch seinen Weg, ich hatte alle Gänge, die dafür zu machen waren, gemacht, hatte sie wiederholt und konnte jezt nichts weiter thun, als ruhig abwarten, wie die Sache ausgehen werde. Nur die Anfragen, auf welcher Stelle seiner Laufbahn das Ding jezt sei, konnten von Zeit zu Zeit gemacht werden.
    Die Schwestern Milanollo waren indessen abgereiset. Die Tagesschriften, welche von ihnen voll gewesen waren, hatten allgemach aufgehört, von ihnen zu reden, die Gespräche, in denen sie eine Rolle gespielt hatten, waren verstummt, das heißt, sie handelten jezt von etwas Anderem. Nur manches verspätete Gedicht machte sich noch in der einen oder andern Spalte einer Zeitschrift gelten, und in manchem Gespräche guter Freunde, wenn eben von Musik die Rede war, wurde noch ihr Name genannt. Ich habe immer und jederzeit, wenn sich Gelegenheit dazu gab, meine tiefen Gefühle über ihr Spiel offen dargelegt, nur wenn mein Nachbar zugegen war, mied ich eher die Gelegenheit, daß er nicht auf jenen Abend erinnert würde. Endlich kam die Zeit, wo man, so sehr man sie gefeiert hatte, doch nicht mehr eigens von ihnen sprach, sondern nur, wenn sich zufällig die Gelegenheit dazu ergab. Daß etwas der Stoff des allgemeinen Gespräches

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