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Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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freundlich für die Güte und Aufmerksamkeit, die ihr in meiner Krankheit für mich gehabt habt. Ihr seid ein guter gefälliger Mensch, vielleicht treffen wir uns auf dieser Welt noch einmal irgend wo wieder.«
    »Wo wohnt ihr denn?« fragte ich ihn.
    »Ich habe bisher in Meran gewohnt,« antwortete er; »wo ich in Zukunft wohnen werde, weiß ich noch nicht. Wenn ihr aber einmal nach Meran kommet, dürft ihr nur nach mir fragen, und man wird euch dann meinen Aufenthaltsort schon sagen. Oder wenn ihr mir euren Wohnort nennet, so kann ich euch auch einen Brief schreiben, worin ich euch anzeige, wo ich sein werde. Wenn ihr dann einmal in die Nähe kommt, so geht ihr zu mir. Ich werde gewiß eine große Freude haben, euch zu sehen.«
    »Und ich gewiß auch,« antwortete ich.
    Ich nahm nach diesen Worten eine Namenskarte aus meinem Taschenbuche, schrieb mit starker Bleifeder meine Wohnung auf die Kehrseite, und sagte: »Unter dieser Aufschrift wird mich ein Brief von euch zu jeder Zeit des Jahres finden.«
    Er nahm die Karte und that sie in seine Schreibtafel.
    Nun gingen wir schweigend neben einander her, entweder weil wir wirklich nichts zu reden wußten, oder weil wir gespannt waren. Endlich, gleichsam um das kleine Stük Weges, das wir noch bis zur Post hatten, auszufüllen, that er die Frage: »Seid ihr schon einmal in Italien gewesen?«
    »Es war wohl schon seit Jahren mein sehnlichster Wunsch, dieses merkwürdige Land zu sehen,« antwortete ich, »aber meine Verhältnisse gestatteten es bisher immer nicht, den Wunsch zu verwirklichen. Indessen gebe ich ihn nicht auf, und wenn einmal eine Zeit kommt, in der es mir möglich ist, eine große Reise zu machen, so ist Italien das Land, in welches ich sie unternehme.«
    »Thut das ja,« sagte er, »es wird euch gewiß nicht reuen.«
    Mit diesen Worten waren wir an der Post angekommen, und gingen bei dem großen Thore hinein. Der Innsbruker Wagen war schon angespannt.
    »Nun lebet wohl,« sagte er, »ich danke euch für die Begleitung, und danke euch auch noch einmal für alles Andere, was ihr mir gethan habt, und grüsset unsere Mittagsgäste recht schön.«
    »Lebet wohl,« antwortete ich, »und reiset glüklich.«
    Somit war der Abschied vollbracht. Er ging an den Wagen und schaute bei allen Fenstern hinein; allein da er ziemlich spät gekommen war, saßen überall schon Reisende von verschiedener Gattung darinnen: dicke und dünne, schnurbärtige und backenbärtige, mit Tabakspfeifen und Augengläsern versehene - nur in dem hintern Gelasse bei einer Frau mit Reisesäken und Fächern war ein Pläzchen erübrigt - sein Mantel, den er vorausgeschikt hatte, lag neben den hintern Rädern auf der Erde, er hob ihn auf und that ihn um - auf der Wagendeke war man mit Schnüren und Zubinden fertig geworden, man pakte den armen alten Mann, wie es gehen wollte, ein, und fuhr mit ihm davon.
    Ich blieb noch eine Weile auf der Gasse vor dem Posthause stehen, und sah dem Wagen nach, so weit ich ihn erbliken konnte. Die Eke der nächsten Gasse verdekte ihn aber bald. Hierauf ging ich in eine Gesellschaft von jungen Männern, die ich kennen gelernt hatte, die sich jede Woche an einem bestimmten Tage versammelten, und die mich hiezu eingeladen hatten. Es war eben der Tag, und wir saßen ziemlich lange beisammen, und redeten von den verschiedensten Dingen der Welt.
    Am andern Tage stand ich auf, und ging wieder meinen Geschäften nach.
    Es ist unglaublich, aber es ist doch so: der alte Mann, der fort gefahren war, ging mir sehr ab. Zum Zimmernachbarn hatte ich einen Fruchthändler bekommen, der immer mit den Fingern sehr schnalzte, wenn er über die Wendeltreppe hinab ging. Er war zugleich so dik, daß man auf der Stiege nicht an ihm vorbei konnte, sondern in einen Gang oder unter eine Thür gestellt, ihn vorüber lassen mußte.
    Ich war noch ziemlich lange an Wien gebunden. Endlich wurde meine Bittangelegenheit doch entschieden, und zwar gegen meinen Wunsch. Der Fruchthändler war schon lange abgereist, ich hatte nach einander wohl fünfzehn verschiedene Zimmernachbarn gehabt, und jetzt, da ich meinen lang ersehnten Bescheid in die Hände bekam, pakte ich meine Sachen zusammen, und fuhr ebenfalls davon.
     

3. Reisebesuch
     
    Ihr wißt alle, meine theuren Freunde, wie ich von jeher ein Kind des Zufalles gewesen bin. Zuerst ist schon meine Erziehung ein Zufall gewesen; denn nach dem Tode meiner vortrefflichen Mutter, welche der Meinung war, daß man das Herz und Gemüth vorzugsweise zu

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