Zwei Sommer
klingt es wie ein Fanfarenruf. Es ist ihre Revolution. Ihre Rebellion gegen das Gefühl der Ohnmacht.
Ich beschließe, mich endgültig unsichtbar zu machen. Ich kann ihr nicht mehr helfen. Und mir ist schlecht vor Hilflosigkeit.
olli,
es tut mir leid, dass ich gerade so eine memme bin und es mich so sehr anstrengt, den kopf nicht hängen zu lassen, aber dieser schultag war einfach der pure horror. (guillotine zum anfasse n …)
umso schöner zu spüren, dass du zu mir hältst, egal, in welcher stimmung ich bin, und dich von meiner mieselaune nicht anstecken lässt.
du fehlst mir gerade sehrsehrsehr, aber das ist gar kein vorwurf. eigentlich will ich dir damit nur sagen, wie unglaublich lieb ich dich hab und wie viel sonnenschein du in mein leben gezaubert hast. und ich zähle die stunden, bis ich dich wieder in meine arme schließen kann.
bei einem becher buttermilch sitze ich am
rechner und bin trotzdem bei dir. wahrscheinlich bist du grad in der kletterhalle und
besteigst in gedanken mindestens den himalaja. ob du dich auch manchmal fragst, wohin unsere reise gehen wird?
mit dir ist es schön. gestern war ein so intensiver tag, so beißend und so schön zugleich, und wenn ich daran denke, wird mir heiß und kalt. ich merke, wie sehr ich mich auf die
verschiedensten arten zu dir hingezogen fühle und wie viele verschiedene schöne gefühle
dududududududu in mir wachrufst.
da ist das mädchen, dem ein junge gefällt,
mit dem es hand in hand über den erdball
spazieren will. und da ist der feigling, der aus der ferne ein kleines wunder bestaunt (dich!). da ist die isa, die einen olli will, so ganz,
so komisch ganz und gar. und all das bin ich, sind wir. ist das nicht irre?
lege mein herz in deine hände mit drei worten im sinn
die deine
Es klopft. Ich schließe die Mail und meine Mutter kommt amöbengleich ins Zimmer geschwappt. Sie legt ein Kuvert auf meinen Schreibtisch, das mit meinem Namen beschrieben ist. Ich erkenne die Handschrift, meine Mutter sieht mich fragend an, bekommt keine Antwort und schwappt wieder zur Tür hinaus.
Kaum ist sie weg, reiße ich den Umschlag auf und ein loser Zettel fällt heraus.
Viel Spaß in Spanien. Ich hasse dich. M.
Im Umschlag steckt ihr Ticket.
Spanien.
Unsere Ferien.
Ich weiß, dass ich in den letzten zehn Tagen über alles Mögliche nachgedacht habe. Spanien war seltsamerweise die einzige unverrückbare Konstante in diesem Gedankenspiel. Ich wusste, es würde vermutlich eine Katastrophe werden, aber ich habe zu keinem Zeitpunkt infrage gestellt, dass diese Katastrophe sich ereignen würde: Marie und ich steigen gemeinsam in den Bus gen Süden.
Ich habe wirklich alles vorhergesehen, flüchtig, zugegeben, aber ich habe es gesehen: Marie, die Eisprinzessin, ihre kühle Verachtung. Ich hätte sie Tag um Tag erduldet. Ich habe mir sogar vorgestellt, dass sie mir eine scheuert bei der erstbesten Gelegenheit. Ich habe mir den schlimmsten Sommer meines Lebens ausgemalt. Doch immer habe ich mir uns dabei ausgemalt.
Aber das hier? Das ist was anderes.
Das ist nicht mehr nur ein Streit. Das ist nicht mehr eine Strafe, die ich verbüßen muss, damit man mir verzeiht. Das ist auch nicht der Höhepunkt eines Dramas, das sich kurz vor Schluss noch zum Guten wendet. Das ist sein Schluss!
Ich dachte, ich hätte mich damit abgefunden, sie zu verlieren. Aber dieser Zettel fühlt sich ganz und gar nicht danach an. Weil er meine Vorstellung eklig konkret macht, darum.
Eklig und unumkehrbar und ausschließlich.
Ich weiß plötzlich, woran ich insgeheim die ganze Zeit geglaubt habe und dass all meine Kraft der letzten Tage auf einem fatalen Irrtum beruhte: dass ich am Ende beide haben könnte – Marie und Olli. Dass es in Wirklichkeit nur eine Frage der Zeit sein würde, bis ich beide haben kann.
Wenn ich jetzt nichts unternehme, wird sie denken, es sei mir egal, was mit uns passiert. Aber das ist nicht wahr!
Ich liebe Olli – ja. Ich habe sie hintergangen – ja. Ich habe mich benommen wie die hinterletzte Scheißkuh. Ja! Ja! Ja!
Aber ich will sie doch nicht verlieren!
Ich sitze an meinem Schreibtisch, starre auf den Bildschirm und lösche meine Mail an Olli. Ich kann ihm doch jetzt nicht so eine Nachricht schicken! Ich muss Marie schreiben.
Liebe Marie.
Als ich Liebeskummer wegen so eines Typ aus meinem Tanzkurs hatte, Thomas hieß er, stand sie mit einer Schachtel vor meiner Tür. Darin lag ein riesiges Keksmännchen.
Es hatte dieselben braunen Schokoaugen wie Thomas und
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