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Zwei Sommer

Zwei Sommer

Titel: Zwei Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Keil
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entsorgst, wenn du nach Hause kommst. Sonst mach ich’s, wenn ich das nächste Mal bei dir bin.« Den ganzen Weg von der Schule bis zum Bus hat Marie von nichts anderem geredet als von meiner Ernährung. »Sonst schaffst du’s nie bis zur Aufnahmeprüfung an der Uni. Und Danny kann seine Sandy im Sanatorium besuchen.«
    Grease . Mein absolutes Lieblings-Musical. Und wenn ich einen Wunsch freihätte, würde ich gern einmal auf einer Bühne stehen und die Sandy Olssen spielen. Sie ist am Anfang total schüchtern und verliebt sich ausgerechnet in den coolen Anführer der T-Birds, Danny. Der lässt sie natürlich erst mal eiskalt abblitzen, weil er viel zu angesagt ist für ein B-Mädchen wie Sandy. Aber die beiden kommen sich trotzdem näher, weil Sandy natürlich in Wirklichkeit ein A-Mädchen ist und Danny zwar zu cool, aber nicht zu doof ist, um das zu kapieren. Bei dem großen Tanzwettbewerb der Schule taucht er schließlich auch mit Sandy auf. Am Ende des Ausscheids sind aber bloß noch Danny und Cha-Cha übrig. Cha-Cha ist nicht bloß Dannys Exfreundin, sondern auch eine verdammt gute, verflucht sinnliche Salsatänzerin. Danny tanzt sehr eng mit Cha-Cha und Sandy flüchtet traurig. Aber Isa und Olli kommen am Ende des Schuljahres trotzdem zusammen, genau wie Sandy und Danny, weil sie nun einmal füreinander bestimmt sind.
    »Da ist mein Bus!« Marie umarmt mich, drückt mir einen Kuss auf die Wange und stürzt los. Ich wünschte, sie hätte Blei an den Füßen. Dann würde sie den Bus verpassen und ich hätte genau zehn Minuten Zeit, um ihr die Wahrheit zu sagen, bevor der nächste Bus kommt. Den sie nicht mehr nehmen würde. Den sie nie wieder nehmen würde, weil sie nie wieder zu Olli fahren würde.
    »Bis morgen, Süße!«, ruft sie mir über die Schulter zu und steigt ein. Die Türen schließen sich und der Bus setzt sich in Bewegung. Marie sitzt am Fenster und winkt mir zu. Ich kann mich nicht rühren.
    In etwa einer halben Stunde wird sie sein Zimmer betreten. Sie wird ihre Tasche in die Ecke werfen und ihn küssen wollen. Sie wird keinen Kuss bekommen. Sie wird ihn fragen, ob er sie noch liebt. Er wird ihrer Frage ausweichen oder sie belügen. Ihm wird der Mut fehlen, die Frage wahrheitsgemäß zu beantworten.
    Die Vorstellung, dass Olli ihr sagen könnte, dass er sie liebt, tut weh. Aber ich kann es ihm nicht einmal verübeln, nicht ich. Ich weiß ja selbst, wie sehr die Wahrheit auf der Zunge brennen und in dir randalieren kann, damit du sie nur endlich freilässt. Aber du behältst sie für dich. Ganz egal, wie weh es dir tut. Es ist ein Schmerz, den du kontrollieren kannst, weil es dein Schmerz ist. Den Schmerz, den sie bei einem anderen anrichten würde, kannst du nicht kontrollieren.
    Sie wird an sein CD-Regal gehen, das melancholischste Album aussuchen, das seine CD-Sammlung zu bieten hat, und zur Anlage unter dem Fenster gehen. Sie wird sich auf sein selbst gebautes Bett legen, auf das er so stolz ist, erst ein bisschen warten, dann leise weinen und zur Decke blicken, an der das Mobile mit den Familienfotos hängt, das ihm seine große Schwester zum Achtzehnten geschenkt hat, kurz bevor sie ausgezogen ist. Es ist der einzige sentimentale Gegenstand, den Olli freiwillig in seinem Zimmer duldet. Hat Marie gesagt. Den Platz für ihr Foto habe sie sich hart erkämpfen müssen, hat sie mir erzählt. Es steht in einem dunkelgrünen Holzrahmen auf einer Lautsprecherbox. Ein Marie-Porträt in Schwarz-Weiß, verschwommen. Ich habe sie eigentlich nur an ihrem Nasenstecker erkannt. Er hat es nie weggeräumt, wenn ich zu Besuch war. Na ja, ich war ja auch erst zweimal bei ihm. Und ich glaube, er hat nicht mal gemerkt, dass es noch immer dort steht. Ist das nicht ein gutes Zeichen?
    Ich hätte es ihr sagen müssen.

10
    Olli sitzt an seinem Schreibtisch. Ich habe meinen Kopf auf seinen Schoß gelegt. Er streichelt mir geistesabwesend durchs Haar. Wir schweigen wie zwei Schiffbrüchige, die nach dem großen Sturm noch mal mit dem Leben davongekommen sind. Jack und Rose, oder so. Um uns herum liegen die geborstenen Planken. Sie sind aus dunkelgrünem Holz.
    Unsere Galionsfigur liegt zersplittert in tausend Scherben, in tausend Papierschnipsel zerrissen auf dem Boden. Ich finde ihren Nasenstecker, ihr Ohr, ein Stück Mund. Das Unwetter, das hier gewütet hat, will ich mir gar nicht vorstellen.
    Marie muss ihr Bild gegen die Wand geschleudert haben, denn überall liegen Glassplitter und in der Tapete ist eine

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