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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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gefasst, dass sie Usirs Blick gelassen standzuhalten vermochte. Auch der junge Offizier hatte seine Prunkkleider angelegt. Über einer kurzen schwarzen Tunika und ledernen Stulpenstiefeln trug er einen blauvioletten Mantel. Noch nie hatte Isa einen Stoff von solcher Feinheit und Schmiegsamkeit gesehen. Eine Kette aus Bernstein leuchtete auf seiner Brust. Oberhalb der Ellbogen umspannten breite goldene Armreifen die nackten Arme. Isas Augen wanderten über seine ruhigen, edlen Gesichtszüge. Sein Blick war ernst und eigentümlich besorgt. Isa konnte kaum glauben, dass dieser besonnen wirkende junge Mann sie im Zweikampf besiegt hatte und sie in die Gefangenschaft brachte.
    Als sie schwieg, streckte er den Arm aus und sprach: »Dort oben auf dem Gebirgskamm steht der Palast des Priester-Königs.«
    Isa sah an ihm vorbei. Über einem Gewirr von Baumkronen, deren Laub in der Trockenheit eine gelbliche Farbe angenommen hatte, funkelten, scharf sich gegen den tiefblauen Himmel abhebend, drei gigantische Kuppeln aus rötlichem Metall. Dahinter erhob sich in der Ferne ein riesenhaftes Hufeisen brauner Berge, die von einer unwahrscheinlich hohen und schmalen Felsspitze, einer weißen Nadel ähnlich, gekrönt wurden.
    Â»Das ist der Vulkan Teje, unser heiliger Berg«, fuhr Usir in seinen Erklärungen fort.
    Isa hörte ihm kaum zu. Der Anblick der drei feuerfarbenen Kuppeln, die von der hochmütig und feindselig erscheinenden Felsspitze überragt wurden, wirkte kalt, beklemmend und Grauen erregend. Isa stand wie gebannt. Ein nie gekanntes Furchtgefühl ließ sie erstarren, lähmte ihren ganzen Körper. Wie aus weiter Ferne vernahm sie Usirs Stimme.
    Â»Noch heute«, sprach er, »wirst du vor dem Priester-König erscheinen müssen.«
    Die Worte brachten sie schlagartig in die Wirklichkeit zurück. Sie schüttelte ihre Benommenheit ab und entgegnete kühl: »Was geht dich das an?«
    Er starrte in ihr verschlossenes Gesicht. Hochmütig erwiderte sie seinen Blick. Ihr kam der seltsame Gedanke, dass er Angst um sie hatte. Aber sie konnte jetzt nicht weiter darauf achten. Nichts war im Augenblick wichtiger als die zwingende Notwendigkeit, ihre Nerven in der Gewalt zu behalten. Usirs Augen ließen nicht von ihr ab. Die Gefangenschaft auf dem Schiff und die Sorge um ihr weiteres Geschick hatten auf ihrem Antlitz Spuren hinterlassen. Die Nasenflügel waren eingefallen, ihre Augen dunkel umrandet. Doch ihr Stolz blieb ungebrochen. Eine Barbarin, dachte Usir. Sie wird sterben ohne um Gnade zu flehen, ja, vielleicht sogar ohne Bedauern … Obgleich er noch keinen festen Plan hatte, wusste er bereits jetzt, dass er alles tun würde, um ihre Verurteilung zu verhindern.
    Vom Vorderdeck klangen Befehle herüber. Die Segel wurden eingezogen, ebenso die tropfenden Ruder. Mit dumpfem Aufschlag glitt der Anker ins Wasser. An einer hohen, steinernen Landestelle wurde der »Riese« festgemacht, während in einiger Entfernung der »Stier« mit gerafften Segeln sich ebenfalls anschickte vor Anker zu gehen.
    Isa betrachtete die Menge, die sich auf dem Hafendamm drängte. Selbst das einfache Volk war gut gekleidet und schien wohlhabend zu sein. Die Männer waren kräftig und hoch gewachsen, hatten breite intelligente Gesichter und glänzendes, sorgfältig gekämmtes oder geflochtenes Haar. Die Frauen trugen Sonnenschirme, um ihre helle Haut vor dem Licht zu schützen. Ihre bunten Gewänder ließen bei jeder Bewegung einen sanften Schimmer des im wechselnden Spiel der Falten aufgefangenen Lichts erglänzen, während ihr Schmuck seine Flammenblitze dazwischen warf. Sie trugen bestickte Gürtel, die wie eine Art Mieder ihre knabenhaft schlanken Taillen umschlossen. In ihrem geölten, zu hochstehenden Schleifen und Knoten gebundenen Haar waren Rosen und Jasminblüten befestigt. Unzählige Händler bedrängten die Schaulustigen, ließen vor ihnen grüne, blaue, rotgoldene Stoffe durch die Luft flattern, boten kleine Hunde, Papageien und dressierte Äffchen zum Kauf an.
    Plötzlich wich die Menge zurück. Das Prasseln von Rädern, das Schlagen von Hufen klang auf. Ein zweirädriger Wagen mit vier nebeneinander gespannten Pferden näherte sich. Die mit Bronze und Elfenbein verzierte Quadriga wurde von einem Mann gelenkt, dessen langes Haar in einem Knoten gehalten wurde. Er trug Lederhosen mit bestickten Säumen und eine

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