Zwei Sonnen am Himmel
und Feuchtigkeit stieg aus dem Meer auf - ergriff Zena die verlöschende Fackel. Mit ruhigen Schritten verlieà sie die Arena aus weiÃem Sand und durchquerte die aufeinander folgenden drei Bronzetore. DrauÃen kauerten unzählige schwarze Gestalten in der Dunkelheit. Sie richteten sich auf, ihre hochgehaltenen Fackeln erleuchteten den Platz, als die purpurne Gestalt der Königin zwischen den Säulen sichtbar wurde. Ein Flüstern wurde hörbar, verstummte dann aber wieder. Die Fackeln tauchten alle Umrisse in rötliche Schatten. Im Flammenlicht wirkte Zenas Gesicht starr wie eine kupferne Maske. Ihre schrägen Augen funkelten. Ihre Stimme erhob sich, rau und dennoch seltsam heiter, von Zuversicht erfüllt.
»Mein Volk, der Stein hat zu mir gesprochen. Eine Zeit der Prüfungen steht uns bevor. GroÃe Gefahr droht unserem Volk. Das Gestirn, das dem Lauf der Sonne folgt, wird sich von ihr lösen und in einem Feuerregen vom Himmel stürzen. Die Flammen und das Meer werden sich vereinigen und unsere Inseln verschlingen. Nur ein einziges Land dort, wo sich ein leuchtender Berg von ebenmäÃiger Form erhebt, wird verschont bleiben. Seine vollkommene Spitze reckt sich wie aus einem Guss dem Himmel entgegen â¦Â«
Sie schwieg einige Atemzüge lang, um den Frauen Zeit zu geben, sich das Bild vorzustellen, das ihre Worte heraufbeschwor. In die tiefe Stille hinein, die ihren Worten folgte, fuhr sie fort: »Wir müssen unsere Heimat verlassen und dieses unbekannte Land aufsuchen. Der leuchtende Berg wird uns schützen. Er ist zugleich unsere Vergangenheit und unsere Zukunft, denn er kennt das Geheimnis unserer Herkunft. Seine Weisungen werden unser Geschlecht in den künftigen Jahrhunderten leiten â¦Â« Wiederum Totenstille. Die Fackeln knisterten. Zena holte tief Atem. Der salzige Seewind schlug ihr ins Gesicht. Ihre Stimme drang mühelos bis zu den entferntesten Reihen.
»Unsere Stärke lag immer im stolzen Bewusstsein unserer Einigkeit. Dennoch überlasse ich es dem Ermessen einer jeden Amazone, ob sie ihrer Königin weiterhin Gefolgschaft leisten will oder nicht. Heute Nacht noch verlange ich eine Entscheidung von euch. Ich, Zena, bin Mutter. Meine einzige Tochter, die Trägerin und Erbin meines Blutes, geriet in die Gefangenschaft unserer Feinde. Trotz des auf uns zukommenden Unheils werde ich mich nach Poseidonis, der Hauptstadt von Atlantis, begeben. Ich werde Isa mit List oder Gewalt befreien und diejenigen töten, die sie gedemütigt haben.«
Sie breitete die Arme aus. Der Widerschein der Fackeln glitzerte auf ihrem purpurfarbenen Gewand.
»Euch allen, die ihr mir zuhört, sage ich: Ich stelle es eurem Entschluss anheim, ob ihr die Schiffe beladen wollt, um der Katastrophe zu entfliehen, solange es noch Zeit ist, oder ob ihr mir aus freiem Willen in den Kampf folgen wollt.«
Eine Weile rührte sich niemand. Dann stieg aus der Menge ein Gemurmel empor. Es schwoll an, steigerte sich wie donnerndes Rollen der Brandung gegen die Klippen. »Wir verlassen dich nicht, o Königin!«
Ein Windstoà fuhr über den Platz. Die Amazonen hielten ihre Fackeln in die Höhe. Riesige Schatten huschten über die Mauern, wogten, tanzten, vermischten sich auf dem weiÃen Sand. Die Frauen jubelten. Der von Menschen dicht gedrängte Platz schien unter der Huldigung, die der Königin dargebracht wurde, zu erbeben. Aufrecht stehend, mit ausgebreiteten Armen nahm Zena die Stimme ihres Volkes in sich auf. Ein unmerkliches Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie hob ihr Gesicht dem Mond entgegen. Der sichelförmige, rötliche Schatten in der schimmernden Sphäre glich einer blutgetränkten Waffe. Mit jeder Faser ihres Seins fühlte Zena die Gefahr, die sich ihnen in der fahlen Mondnacht näherte. Ein schwerer Atemzug hob ihre Brust. Sie spürte, wie sie fröstelte. Ihr Herz aber blieb ruhig, von Vertrauen in die Zukunft erfüllt. Was immer auch kommen mochte, ihr Volk würde bereit sein â¦
7
Ein Geräusch von Schritten. Die rostigen Scharniere quietschten, als der Riegel zurückgeschoben wurde. Ein schwacher Lichtstrahl fiel in den Kielraum. Isa blinzelte und bewegte mühsam die erstarrten Glieder. Die Gestalt eines Wächters wurde im erhellten Rechteck der Tür sichtbar. Er hielt eine Lanze in der Hand.
»Los, steh auf!«, befahl er.
Fünf Tage waren vergangen, seitdem Isa gefangen genommen worden
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