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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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wahrgenommen, dass der Wagen anhielt und Usir ihr entgegentrat. Ihr Geist war wie betäubt und sie warf ihm einen verstörten Blick zu. »Seit der Gründung von Atlantis gab es fünf Königinnen und fünf Könige«, sagte Usir. »Das hier sind ihre Standbilder.«
    Isa spürte, wie ihr der Schweiß in klebrigen Rinnen über den Rücken lief. »Wie groß sie sind«, hauchte sie.
    Â»Ja«, erwiderte Usir mit Nachdruck. »Es waren Riesen.«
    Isa starrte ihn an, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Schlagartig wurde ihr seine Ähnlichkeit mit den Statuen bewusst. Das hohe Oval des Gesichts, die hochgezogenen, von der Nasenwurzel aufsteigenden Brauenbögen, die scharf geschnittenen Augen, alles war eine lebende Wiedergabe der Antlitze der metallenen Riesen.
    Eine Frage brannte Isa auf den Lippen, doch sie sprach sie nicht aus. Was hatte das schließlich mit ihr zu tun? Einige Atemzüge lang erwiderte Usir ihren Blick. Dann wandte er sich mit plötzlicher Schroffheit ab und sprach: »Komm, wir werden erwartet.«
    Eine breite Treppe führte zu einem Torbogen hinauf. Zwei Wächter in bronzenen Rüstungen und schwarzen Helmen standen regungslos davor, die Rechte auf ein zweischneidiges Schwert gestützt. Der Admiral stieg mit raschen Schritten die Stufen empor. Sein goldener Mantel schleifte über die Fliesen. Usir folgte ihm, während der Wächter Isa an ihren Ketten vorwärts zerrte. Eine Halle von gewaltigen Ausmaßen tat sich hinter dem Portal auf. Sie gingen zwischen Säulen über einen Steinboden, in den wellenförmige Muster eingezeichnet waren; die Säulen glänzten scharlachrot oder golden. Die Zwischenräume der Deckenbalken waren mit Blumen, Algen oder Tieren bemalt. Überall brannten Kerzen in bronzenen Dreifüßen und ihre Ausstrahlung machte die Luft stickig.
    Stimmen drangen durch das Halbdunkel. An den Türschwellen flüsterten und murmelten Menschen. Ihre prunkvollen Gewänder schimmerten im Kerzenlicht, ihre Juwelen funkelten. Die Gesichter der Frauen waren gepudert, ihre Augen schwarz oder zinnoberrot umrandet; in ihren langen, geölten, zu hochstehenden Schleifen und Knoten geschlungenen Haaren waren Rosen, Kamelien oder Jasminblüten befestigt. Von den Handgelenken hingen geschnitzte Siegel an Armbändern aus Gold oder Perlen. In weiter Ferne ertönte das Klingen einer Harfe. Endlos setzten sich die Gänge im Innern der Festung fort.
    Isas sonst so sicherer Orientierungssinn verließ sie. Sie hätte weder sagen können, auf welcher Höhe über dem Erdboden sie sich befanden, noch in welcher Richtung die Gänge verliefen. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Die stetig wachsende Empfindung, einer Gefahr ausgesetzt zu sein, schnürte ihr die Kehle zusammen. Selbst im dichtesten Kampfgewühl hatte sie noch nie etwas Ähnliches verspürt. Sie zwang sich ihre Blicke auf Usir zu richten, der mit ruhigen Schritten vor ihr herging. Diese Gefahr, dachte Isa, ob er sie auch spürte? Doch sie wurde sich sogleich der Sinnlosigkeit ihrer Überlegung bewusst. Usir war Atlantide und in diesem Palast heimisch.
    Jetzt glitten Isas Füße über weiche Teppiche und Felle. Wundervolle Malereien schmückten die Wände. Die Möbel waren mit Einlegearbeiten aus Emaille und Perlmutter verziert. Das Gold der Standbilder, das edle Weiß der Gefäße schimmerte im Kerzenlicht. Die Luft war von schweren Düften erfüllt: Ambra, Moschus, Tuberosen. Am Ende des Ganges, der in ein sonderbares, grünliches Zwielicht getaucht war, wurde eine Tür aus getriebenem Silber sichtbar. Ein schmaler hoch gewachsener Greis stand davor. Er war in ein weißes Tuch gehüllt, das er mehrfach um sich geschlungen hatte, und trug keinerlei Schmuck. Sein Schädel war auf seltsame Art in die Länge gezogen.
    Als sie näher kamen, merkte Isa, dass seine schräg stehenden Augen fast ohne Lider waren. Unwillkürlich erschauderte sie, als er sie aus tief liegenden, dunklen Löchern musterte. Seine blutlosen Lippen teilten sich und eine Stimme, so kalt und hohl wie aus einem Grab, sagte mit langsamer Betonung: »Der Priester-König fühlt sich nicht wohl. Dennoch gewährt er Euch das Privileg einer Audienz.«
    Die Flügel der silbernen Tür glitten lautlos zur Seite. Die gelbliche, dürre Hand des Alten deutete eine einladende Gebärde an. Torr und seine Begleiter

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