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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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und scherzten. Sie trugen Jagdanzüge aus weichem Hirschleder, mit Troddeln und Goldborten besetzt. Sie waren mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Einige führten Lanzen mit sich. Alle trugen am linken Handgelenk ein schön gearbeitetes Lederarmband, an dem in einem kostbar bestickten Futteral ein kleiner Dolch steckte.
    Isa nahm das alles wie in einem Trancezustand wahr. Ihre nackten Füße glitten über Fliesen, die so genau aneinander gefügt waren, dass sie eine einzige glänzende Fläche bildeten. Die großen leuchtenden Kuppeln, die sie vom Schiff aus gesehen hatte, kamen immer näher. Sie schienen wie übereinander greifende Feuerbälle über der Stadt zu schweben.
    Plötzlich blieb Isa wie gebannt stehen: Ein Fluss oder besser ein Meeresarm erstreckte sich bis ins Stadtinnere, wo eine Brücke ihn überspannte. Diese war so breit, dass sie zehn Vierergespanne nebeneinander hätten überqueren können. Jenseits der Brücke erhob sich eine ungeheure Befestigungsmauer mit Zinnen, Bastionen und Toren. Das Mauerwerk, an dessen Fuß die Menschen klein wie Ameisen erschienen, bestand aus schwarzen Quadersteinen, in die in regelmäßigen Abständen rote Steine eingefügt waren. Isa stockte der Atem. Nie hätte sie ein so gewaltiges Bauwerk für möglich gehalten! Jeder Eckturm - es gab deren acht - war mit vergoldetem Metall verkleidet und leuchtete in rötlichem Glanz. Dasselbe Metall bedeckte die drei gigantischen Kuppeln, die aus der Nähe gesehen ineinander zu verschmelzen schienen und wie ein einziges glühendes Gewölbe die Ringmauer überragten.
    Die schmerzhafte Berührung der Lanze, die der Wächter ihr in die Rippen stieß, riss Isa aus ihrer Betäubung. »Vorwärts!«, zischte der Mann.
    Isa fuhr zusammen und kehrte in die Wirklichkeit zurück. Mechanisch einen Fuß vor den andern setzend schritt sie hinter dem Wagen über die Brücke. Der Schatten der Mauer kam näher, senkte sich über sie und verdunkelte das Blau des Himmels und des Wassers. Die Zitadelle war nach Osten, gegen Sonnenaufgang, gerichtet. Sie vermittelte einen seltsamen Eindruck von Macht und erhabener Größe, aber auch von Gefahr. Noch nie hatte Isa ein derartiges Gefühl verspürt. Der Palast musste sehr alt sein, sein Baustil stimmte nicht mit dem der Bauten überein, die ihn umgaben. Seine Schwindel erregenden Proportionen erweckten den Eindruck, als sei er einst von Riesen aus einem anderen Zeitalter errichtet worden.
    Zwei Wächter standen vor dem mittleren Eingangstor. Sie waren so groß und muskulös, dass sie wie aus Granit gemeißelt zu sein schienen. Ihre Bronzerüstung schmiegte sich so eng an die Haut, als sei sie mit ihr verwachsen. Ein Helm aus schwarzem Metall ließ ihre Augen nur durch zwei senkrechte Schlitze sehen.
    Mit Getöse fuhr der Wagen unter dem dunklen Torbogen durch und gelangte jenseits wieder ins Sonnenlicht. In grenzenloser Verwirrung sah Isa, wie sich vor ihnen ein ungeheuer großer Platz auftat, der ringsum von Standbildern umgeben war. Sie erhoben sich auf Sockeln aus schwarzem Marmor und waren aus demselben rötlichen Metall gegossen, das auch die Türme und Kuppeln des Palastes bedeckte. Es war nicht Kupfer, nicht Gold, sondern Orichalk, ein Metall, das in den geheimen Minen von Atlantis gewonnen wurde. Isa hatte Sklaven davon reden hören, hatte sich aber nicht vorstellen können, dass es in so großen Mengen vorhanden war. Mit zunehmendem Staunen betrachtete sie die Standbilder. Es waren Männer und Frauen von hünenhaftem Wuchs und sonderbarem Aussehen. Noch nie hatte Isa bei anderen Menschen Gesichtszüge gesehen, die mit diesen vergleichbar gewesen wären. Die Stirnen waren vorstehend, die Augen mit hohen Brauenbögen seltsam gewölbt. Nase und Kinn waren gerade und klar gemeißelt und die weit geschwungenen Lippen zeigten die Andeutung eines Lächelns. Hoch erhobenen Hauptes blickten sie geradeaus. Ihre riesenhaften Kopfbedeckungen ahmten tanzende Flammen nach. Sie trugen knielange, hochgeschlossene Gewänder, die in ihrer glatten Steifheit aus einem äußerst festen Material hergestellt zu sein schienen. Die Beine wirkten wie Säulenstümpfe. Die ausdrucksvollen Physiognomien faszinierten Isa. Jedes Gesicht schien trotz seiner herben Strenge und Verschlossenheit von Leben erfüllt.
    In ihre Betrachtungen versunken hatte das Mädchen kaum

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