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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Schlange mit geheimnisvollem Glanz. Usir bückte sich und betrachtete das starke Tau, das das Boot festhielt. Sein Blick glitt über die düstere Oberfläche des Wassers. Wohin führte dieses unterirdische Gewässer? Würden sie je wieder unter freien Himmel gelangen?
    Wieder verging eine geraume Zeit, bis die Schlafenden langsam erwachten. Sie richteten sich einer nach dem anderen auf, streckten die von feuchter Kälte steif gewordenen Glieder.
    Â»Es ist Zeit, uns einzuschiffen«, sagte Torr. »Wir werden abwechselnd rudern.«
    Â»Und wo soll die Reise hingehen?«, fragte Merit, der Architekt, mit mutloser Stimme. »Himmel und Erde sind derart vom Zorn der Götter gezeichnet, dass keine günstigen Winde und keine ruhige See unsere Fahrt begleiten, dass kein Hafen zu finden sein wird, der uns schützt, keine Quelle, die uns Süßwasser schenkt, kein Feld, das uns Früchte spendet …«
    Die kräftige, braune Hand auf den Bogen gestützt, trafen ihn Zenas Augen mit einem Blick, der aus weiter Ferne zu kommen schien. »Wenn Atlantis im Ozean untergegangen ist, dann besteht auch die Insel der Frauen nicht mehr. Wir sind also die einzigen Überlebenden unserer beiden Völker...«
    Sie holte tief Atem und fuhr fort: »Atlantiden und Amazonen befehdeten sich seit Generationen. Nun sind wir wenigen als Letzte unseres Geschlechts durch den Willen des Schicksals vereint. Hört mir gut zu. Bevor ich nach Poseidonis aufbrach, um meine Tochter zu befreien, befragte ich den schwarzen Stein, den wir den ›Sternenstein‹ nennen, das schützende Symbol unseres Volkes. In einer Vision sah ich jenseits des Großen Meeres ein Land, in dem sich ein purpurner Berg erhebt, der vor urdenklichen Zeiten von Menschenhand erbaut wurde. Dieses Land soll von Wasser und Flammen verschont bleiben. Das Zeichen, das mir der ›Sternenstein‹ sandte, war klar und eindeutig: In diesem Land werden wir eine neue, gemeinsame Heimat finden.«
    Langes Schweigen folgte ihren Worten.
    Dann sprach Usir: »Du hast uns vom Zweifel befreit. Torr wird das Schiff nach deinen Angaben lenken.« Er bückte sich, um Ato zu helfen sich aufzurichten. Der Harfenist war sehr blass. Xoris, der Arzt, hatte seine Wunde gereinigt und verbunden. Zwar versuchte er zu lächeln, aber seine Kräfte waren durch die lange Gefangenschaft aufgezehrt; er sah aus wie ein Mann, der nicht mehr weiß, wie man Ruhe findet.
    Â»Lasst uns aufbrechen!«, sagte er. »Möge Poseidon uns leiten!«
    Obwohl das Boot schmal gebaut war und darin der Schlange, ihrem Sinnbild, glich, erwies es sich als erstaunlich geräumig. Es war offensichtlich dazu bestimmt, den Ozean zu befahren, und bestand folglich aus sehr leichtem, mit Pech bestrichenem Holz. Die Segel waren aus weißem, widerstandsfähigem Gewebe gefertigt. Die acht Ruder erwiesen sich als sehr handlich und leicht. An Bord befanden sich Vorräte an Mehl und Getreide sowie Gefäße voller Öl und Trinkwasser. Torr entdeckte auch Navigationsinstrumente, die von umsichtigen Gelehrten erfunden worden waren: einen sehr genauen Kompass aus Holz und Bronze, der auf einem Achatsockel ruhte und so klein war, dass er in der hohlen Hand Platz fand. Die Magnetnadel zeigte nach dem Polarstern, den die Atlantiden »Himmelsauge« nannten.
    Die Segel wurden gehisst. Merit, Haku und die Amazonen ergriffen die Ruder. Torr steuerte das Boot, das langsam an der steinernen Mole entlangfuhr. Usirs Augen waren auf die Pforte der Zeiten gerichtet, deren düstere Pfeiler das Wasser umspülte. Schweigen senkte sich über alle, als das Schiff ihnen entgegenfuhr.
    Torr biss die Zähne zusammen und richtete seinen Blick über das Boot hinweg. Die gewaltigen Pfeiler erhoben sich in geringer Entfernung und kamen immer näher. Plötzlich erbebte das Schiff. Der Bug begann sich zu wenden. Die Wellen schwappten und gurgelten. Auf der Wasseroberfläche zeichneten sich starke Wirbel ab. Der Sog des Wassers führte das Schiff geradewegs auf die klaffende Öffnung zu. Eisige, faulige Luft schlug ihnen entgegen.
    Â»Wir sind verloren!«, schrie Merit. »Poseidon, steh uns bei!«
    Torr stemmte sich gegen die Speichen und riss das Steuer herum. Die Ruderer mussten ihre ganze Kraft aufbieten, um gegen die Strömung anzukommen. Die Segel bauschten sich, als versuchten sie das ganze Gewicht des Schiffes zu tragen, die Taue strafften sich

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