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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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gestört. Wenn das Wasser zurückkam, würde dies - das wussten sie alle - das Ende bedeuten.
    Sie keuchten, stolperten, bluteten. Usir befürchtete, dass womöglich Steine und Erdmassen den Gewölbeeingang verschüttet hatten. Doch dann sah er das Fallgitter im Mauerwerk und darunter ein schwarzes Loch. Atemlos wateten sie durch den stinkenden Schlamm. Sie hatten die Öffnung fast erreicht, als ihnen plötzlich ein ungeheuer schrilles Pfeifen durch Mark und Bein fuhr. Es schien gleichzeitig aus der Erde und aus dem Himmel zu kommen, wurde mächtiger und mächtiger, bis ihnen unter dem unerträglichen Druck das Trommelfell zu platzen drohte. Mitten in der Gluthitze hatte sich ein seltsam eisiger Wind erhoben. Er brauste daher wie der Atem eines Wirbelsturmes und trug ihnen den Geruch von Algen und Salz entgegen. Plötzlich packte Isa Usirs Schulter. Sie sagte kein Wort und schaute mit sonderbar aufgerissenen Augen an ihm vorbei. Er folgte der Richtung ihres Blickes und sah eine gigantische, schwarze Wand den Horizont verdunkeln. Sie wurde zusehends größer und höher, näherte sich mit rasender Geschwindigkeit. Usir spürte, wie sich ihm der Magen umkehren wollte, und eine innere Stimme sagte ihm, dass dies hier das Ende sei. Riesige Schaumkronen wuchsen zu einer Wogenkette, die höher war als der Palast, höher als der höchste Gipfel der Berge …
    Jemand zerrte Usir an den Schultern und stieß ihn vorwärts. Er stürzte blindlings durch den Eingang in das unterirdische Gewölbe hinein und riss Isa mit sich. Schwaches Licht flackerte in der Dunkelheit. Es waren die Fackeln, die ihnen bei ihrer ersten Flucht den Weg gezeigt hatten. Viele waren erloschen, aber einige brannten noch. Die Fliehenden zogen sie aus den Eisenringen. Von Entsetzen gepeitscht schleppten sie sich durch die Gänge, die in die Tiefe der Erde führten. Ihr Atem ging rasselnd, sie schwankten und stolperten. Ihre Schatten geisterten über die Wände. Plötzlich ließ eine ungeheure Erschütterung in großer Höhe das Gewölbe erzittern. Donnerndes Dröhnen erfüllte die Luft. In ihren Ohren brauste es, ihre Lungen schienen zu zerreißen. Ein zweiter Stoß setzte ein, noch machtvoller, und ein Windstoß fuhr heulend durch die Gänge. Die Fackeln erloschen.

20
    Eine große Krabbe bewegte sich in eigenartiger Hast über den Felsboden. Das Knirschen ihrer Scheren auf dem Gestein dicht neben Usirs Gesicht riss ihn aus dem Schlaf. Verstört richtete er sich auf. Die andern schliefen noch. Dank der grünlichen Helligkeit, die in diesem Teil der Grotte von den Wänden ausging, konnte er Reg, die Amazone, sehen, die sie alle bewachte. Sie saß mit untergeschlagenen Beinen da; ihr Blick war starr und ohne ein Wimpernzucken auf ihn gerichtet. Das Kurzschwert mit dem elfenbeinernen Griff lag auf ihren Knien. Usir richtete sich auf und machte einige Bewegungen, um seine steifen Muskeln zu lockern.
    Â»Du kannst dich jetzt schlafen legen«, sagte er. »Ich übernehme die Wache.«
    Die Frau nickte wortlos. Sie wickelte sich in ihren Mantel und streckte sich nieder. Das Schwert behielt sie nach Amazonenart in unmittelbarer Reichweite.
    Usir fuhr sich mit der Hand über die müden Augen. Wie lange lagen sie wohl schon so da, von totaler Erschöpfung überwältigt? Unmöglich festzustellen, ob es Tag oder Nacht war. In verzweifelter Niedergeschlagenheit versuchte Usir sich bewusst zu machen, dass hoch oben, wo gerade noch Atlantis gewesen war, nun der Ozean seine Wogen wälzte. Und das würde jetzt wohl immer so sein bis ans Ende der Zeiten, denn das Meer gab die Länder, die es verschluckte, nie wieder frei. Von Atlantis, seiner tausendjährigen hohen Kultur, seiner Macht war nichts mehr übrig geblieben als eine Erinnerung und auch diese würde im Laufe der Zeit im Gedächtnis der Menschen verblassen. Zurückbleiben würde vermutlich nur eine Sage … vielleicht ein Traum.
    Er betrachtete das Schmuckstück an seinem Finger. Der Ring der Macht …, dachte er bitter. Was nützt er mir jetzt? Von meinem Reich ist mir nichts geblieben als die finsteren Grotten, der schlammige Meeresgrund, die vermoderten Gewässer …
    Er trat an die steinerne Mole, an der das Boot befestigt war. Das dunkle, schlanke Schiff schwankte mit dem Wellenschlag der Brandung hin und her. An seinem Bug leuchtete die vergoldete Spirale der

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