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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Gittertores, wo purpurne Vorhänge sich wie Segel eines Schiffes blähten, durchbrach rötlicher Schimmer die Dämmerung. Ein Portal stand offen. Usir, Zena und ihre Gefährten liefen hindurch - und blieben geblendet und gebannt stehen. Unter dem Aufblitzen von Strahlen wie bei einem gigantischen Wetterleuchten breitete sich der Platz mit den zehn Riesenstandbildern der atlantidischen Herrscher vor ihnen aus. Auf ihren schwarzen Marmorsockeln ragten sie in stummer Erhabenheit in die gleißende, wirbelnde Luft. Nur eine einzige Statue - die einer Frau - lag, von einem Felsblock getroffen, zerschmettert am Boden. Eine unübersehbare, von Panik ergriffene Menschenmenge füllte den Platz. Sie strömte der Brücke entgegen, deren mächtiges Bollwerk sich wie Pechblende von dem gelbroten Himmel abhob. Die Leute bahnten sich einen Weg durch Geröll und Schutt, schoben, stießen und schlugen um sich, um schneller vorwärts zu kommen. Viele hatten ihre Kleider, Vorräte und Wertgegenstände auf Karren geladen, andere die verlassenen Häuser geplündert und versuchten nun sich mit ihrer Beute in Sicherheit zu bringen. Einige waren zu Pferd und erzwangen sich mit Peitschenhieben einen Weg durch das schreiende Gewühl. Ihre Reittiere wieherten vor Entsetzen, bäumten sich und schlugen aus. In diesem Durcheinander wurden Frauen von ihren Männern getrennt, Mütter von ihren Kindern, alte Leute zertrampelt und die Schwächeren von den Stärkeren überrannt. Von überall her drang Heulen, Wimmern und Klagen, Schreie der Männer und schrilles Weinen verängstigter Kinder.
    Plötzlich übertönte ein tosendes Zischen den Tumult: Ein weiß glühender Stein fiel vom Himmel - mitten unter die Menge. Der Boden bewegte sich und zuckte wie etwas Lebendiges. Der Palast wankte in seinen Grundfesten, als sei er auf flüssigem Schlamm erbaut worden. Und das Grollen, das aus der Erdtiefe drang, war lauter als die Todesschreie, lauter als das Krachen berstender Mauern und der dumpfe Aufprall stürzender Säulen.
    Â»Weg von hier!«, schrie Torr.
    Sie drängten sich auf den Treppenstufen. Das Knirschen der aneinander reibenden Marmorfliesen war in dem allgemeinen Lärmen und Tosen nur undeutlich zu vernehmen. Spalten klafften zwischen den Stufen, die sich plötzlich schräg stellten. Isa wurde zu Boden gerissen; ihre Finger klammerten sich an einer Fliese fest, die hin und her geschüttelt wurde und dann zerbarst.
    Mit einem Mal sah Usir, wie Ato sich mit dem Fuß in einer Spalte verfing und kopfüber zu Boden stürzte. Atemlos, von Schweiß und Schmutz bedeckt, stieg er hinter ihm her und half ihm sich aufzurichten.
    Atos Gesicht war schmerzverzerrt. Er betrachtete seinen blutenden Fuß, an dem die Haut in Fetzen hing, und ächzte: »Usir … rette dich! Lass mich hier. Es ist Zeit für mich zu sterben.«
    Â»Wenn wir sterben müssen, dann nur gemeinsam«, keuchte Usir.
    Der Wind blies ihnen Staub und Rauch in die Augen, sie konnten kaum atmen. Dennoch gelang es Usir, seinen Vater zu stützen und weiterzuzerren. Nach allen Seiten sich wehrend und vordrängend bahnten sie sich einen Weg durch die schreiende, wogende Menge.
    Dann schien es auf einmal, als wollte der Himmel bersten. Ein ohrenbetäubendes Donnern fegte über die Stadt: Der Gipfel des Vulkans Teje war in die Luft geflogen. Der Horizont erglühte noch stärker. Und die schwarze Wolkenbank, die über dem zersplitterten Krater geboren wurde, wuchs langsam in die Höhe und Breite und senkte sich dann über das Land. Die Luft verfinsterte sich. Steine, verbrannte Zweige und tote Vögel fielen zu Boden. Die riesige Wolke verschlang den Himmel, verschlang die Erde. Und unter dieser Wolke ergoss sich die Lava in rot glühenden Strömen ins brodelnde Meer.
    Wieder schwankte und bebte die Erde: Die riesige Brücke, die über die Lagune führte, erzitterte in ihren Grundfesten. Mit gespenstischer Langsamkeit sackten die monumentalen Bögen in sich zusammen. Und im selben Augenblick wankten inmitten züngelnder Flammen die dreifachen Kuppeln, die den Palast seit Menschengedenken krönten, und barsten mit mächtigem, fast glockenklarem Dröhnen.
    Â»Zu spät!«, brüllte Torr. »Der Weg zum Hafen ist uns abgeschnitten!«
    Sie hatten sich unter die Umfassungsmauer des Palastes geflüchtet, die einzige, die noch vorhanden war, vermutlich

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